Viktor Orbáns Interview in der Sendung „180 Minuten” [„180 perc”] von Radio Kossuth
19. Mai 2017

Éva Kocsis: Es ist vier Minuten nach halb acht. Im Studio anwesend ist Ministerpräsident Viktor Orbán, guten Morgen!

Guten Morgen!

Ist Ihnen, als Sie in China waren, nicht der Witz über die Maus und den Elefanten eingefallen, die über die Holzbrücke gehen, und die Maus sagt zum Elefanten: „Horch nur, was für einen Krach wir machen!”?

Da es Gelegenheiten gab, bei denen der Präsident von Sri Lanka und der Fidschi Inseln neben mir saßen, fiel er mir nicht ein.

Dann sind wir also gänzlich ebenbürtige Partner Chinas?

Ich würde vielmehr sagen, dass die Teilnehmer der Beratung, die meiner Ansicht nach historische Bedeutung besaß, nicht auf Grund der Größe ausgewählt wurden, sondern man ging von der Logik aus, dass in den kommenden Jahrzehnten sich die Rolle Chinas in der Weltwirtschaft, seine Aktivitäten, seine Investitionen in bedeutendem Maße zunehmen werden. So dass China, ein von den anderen Teilen der Welt fernab liegendes Land – vor allem wenn wir dies von Europa aus betrachten –, Waren, Investitionen, Touristen, Geld, Kapazitäten des Bauwesens wird in große Entfernungen entsenden müssen, und die Länder dieser Route sind hierher eingeladen worden. Man hat also jene Länder eingeladen, die potentiell und laut der Überlegung in den kommenden zwei-drei Jahrzehnten in dem Wachstum der Weltwirtschaft eine Rolle spielen werden, und dass Ungarn sich in diesem Kreis befindet, dass wir „bei der Messe dabei sind“, dass man uns also zu den Entwicklungsmöglichkeiten, den Entwicklungsorten der folgenden zehn-zwanzig Jahre der Weltwirtschaft gezählt hat, ist eine ausgezeichnete Nachricht, und eine Möglichkeit, die es wert ist, ergriffen zu werden.

Nun ist es aber letztlich doch so, dass in den wirtschaftlichen Angelegenheit die Größe kein Gesichtspunkt ist, den man vernachlässigen könnte. Können wir im Wettlauf mit den anderen, sich auf China zubewegenden, Richtung China drängenden Ländern bestehen, haben wir die Kraft dazu?

Es ist wahr, dass es in verschiedenen Formationen schon Schritte gegeben hat, und dass ein Teil dieser Schritte auch im Wettbewerb zwischen den Ländern bestand. So werden wir zum Beispiel in diesem Herbst hier, in Budapest, dem Forum zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen 16 mitteleuropäischen Ländern und China eine Heimstätte geben; jedes Jahr treffen wir uns einmal hier, 16 mitteleuropäische Länder. Sie können es ein Drängen nennen, ich würde eher über einen Wettbewerb oder die Suche nach einer Möglichkeit sprechen, und China ist groß genug, damit alle mitteleuropäischen Länder eine Möglichkeit finden. Die Frage ist nur, wer mit bis zu welchem Grade ausgearbeiteten Plänen, Vorschlägen, Programmen in der Lage ist, hervorzutreten und wie effektiv er verhandeln kann, beziehungsweise welche Deckung die wirklichen Tatsachen der Wirtschaft den Programmen geben können. Die Lage Ungarns ist heute aus dem Grunde einfacher – es ist nie leicht, ein Ungar zu sein, aber es ist leichter, als es früher war –, weil sie sich die Finanzdaten anschauen und sie sehen, dass die Finanzen des Landes in Ordnung sind. Sie schauen sich die Zahlen der Arbeitslosigkeit an, und sehen, dass wir in sieben Jahren sieben-acht Prozent mit ihr heruntergehen konnten. Sie schauen sich unsere Wachstumsziffern an, wie sie das zuletzt auch im Falle der Zahlen des letzten Vierteljahres getan haben, und sie sagen, „Sieh an! Da ist ein Land, dass um mehr als vier Prozent wächst.“ Diese Dinge ergeben in Wirklichkeit die Wettbewerbsposition.

Auf die Zahlen werden wir noch zurückkommen. Die Frage ist jedoch, wenn Sie schon die Länder der Ostmitte erwähnt haben, dass wir zum Beispiel in dieser Situation in Richtung China und Asien Partner oder Konkurrenten der V4 sind?

Sowohl als auch, aber unsere Position als Konkurrent war gegenüber den V4 immer korrekt, wir haben uns gegenseitig nie ein Bein gestellt, wir haben also den Polen nie geschadet, die Polen haben uns nicht geschadet, doch kann ich dies auch über die Tschechen und Slowaken sagen. Also ist das Zusammenwirken, die Zusammenarbeit, das Bewusstsein der gemeinsamen geographischen und historischen Vergangenheit sowie Situation stärker als die Verlockung zum unehrenhaften Wettbewerb. Ich sage Ihnen also, dass die Zusammenarbeit bestimmend ist. Jetzt lese ich gerade zum Beispiel, dass Huawei, die Firma, die im Übrigen in Ungarn ihre logistische Basis errichtete, bei den Tschechen etwa viertausend Arbeitsplätze erschafft. Es gibt genug Platz, wir haben Platz füreinander.

Gestern war der Generaldirektor der Eximbank hier im Studio, mit dem wir auch schon über konkrete Vereinbarungen gesprochen haben, die als Ergebnis der Chinareise entstanden sind. Wir haben mit dem Leiter des Handelshauses noch früher darüber gesprochen, damit Ungarn auf den Auslandsmärkten Raum gewinnen kann, ist dazu offensichtlich eine wirtschaftliche Kraft nötig, und auch, dass in den kleinen und mittleren ungarischen Unternehmen die Absicht bestehe, die Fähigkeit und die Kraft dazu vorhanden sei, sich hier einzuschalten. Wenn ich es richtig weiß, dann war es im Zusammenhang mit China das ausgesprochene Ziel, den ungarischen Klein- und mittleren Firmen Chancen zu eröffnen.

Ja, unzweifelhaft, doch die Entfernung und die Ausmaße verursachen trotzdem den Klein- und mittleren Firmen die größten Probleme, deshalb muss man schrittweise vorgehen. Am wichtigsten ist meiner Ansicht nach, dass die ungarischen Waren ohne Einschränkungen auf den chinesischen Markt gelangen können sollen. Péter Szijjártó und das von ihm geleitete Ministerium haben in den vergangenen vier Jahren fantastische Arbeit geleistet. Wenn wir uns anschauen, für wie viele Warengruppen wir – insbesondere im Bereich der Lebensmittel – über eine Exporterlaubnis verfügen, wir also im Rahmen von Verhandlungen erreicht haben, dass wir solche Waren nach China liefern dürfen, dann stehen wir in der Welt auf einem sehr vornehmen Platz. Dies ist das Ergebnis einer diplomatischen Arbeit. Es handelt sich dabei um eine handelsdiplomatische Arbeit, und für uns, Ungarn, ist am wichtigsten, dass wir unsere Waren nicht nur im Westen, sondern auch im Osten verkaufen können. Wir sind dann in Sicherheit, wenn es eine übergroße Nachfrage nach ungarischen Lebensmittelwaren gibt, und dies ist jetzt die Situation. Danach kommt die Frage, wie die ungarischen Klein- und mittleren Unternehmen Partner der chinesischen Firmen seien könnten. Hier bestehen zunächst sprachliche Schwierigkeiten, dann die Entfernung, hinfahren, zurückkommen, ein Büro errichten, dort strapaziert das die Klein- und mittleren Unternehmungen schon, das ist nicht so einfach. An diesem Punkt benötigen wir die Handelshäuser und das Investitionsamt sowie ihr Anreizsystem, diese sind nötig, damit das funktioniert. Die Handelskammer hilft viel in dieser Hinsicht, denn dort wissen sie am ehesten, was die ungarischen Unternehmen benötigen. Doch halte ich auch die großen Flaggschiffe für wichtig. Also sind jene Entscheidungen, dass die regionale Zentrale der Bank of China sich in Ungarn befindet, dass die Warenverteilungszentrale von Huawei in Ungarn ist und dass das regionale Touristikamt Chinas in Budapest zu finden ist, Beispiele einer großangelegten Zusammenarbeit, in die sich dann auch die Klein- und mittleren Unternehmen einschalten können.

Was kein unwesentlicher Gesichtspunkt ohne die Bewertung dessen ist, wie das wirtschaftliche Umfeld aussieht, denn davon hängt die wirtschaftliche Kraft eines Kleinunternehmens, eines Unternehmens ab, unter welchen Bedingungen es arbeitet. Sie haben gestern darüber gesprochen, dass dieses Wachstum von vier Prozent zwar gut sei, aber nicht genug.

Schauen Sie, wir haben einen mehr als zehn Jahre umfassenden Wirtschaftsplan. 2010 haben die Menschen uns mit ihrem Vertrauen ausgezeichnet, da haben wir zusammen mit Mihály Varga und György Matolcsy einen mehr als zehn Jahre umfassenden Wirtschaftsplan zusammengestellt, und wir arbeiten entsprechend seiner Durchführung. Die erste Aufgabe war es, da sich die ungarische Wirtschaft und das Finanzsystem im Zustand des Zusammenbruchs befanden, die Finanzen Ungarns zu stabilisieren, sie in Ordnung zu bringen. Der symbolische Ausdruck hierfür war es, als wir den IWF nach Hause schicken konnten, denn dies zeigte schon, dass diese Arbeit gelungen war. Den ersten Abschnitt unseres Zehnjahreswirtschaftsplans haben wir erfolgreich abgeschlossen. Der zweite Abschnitt des Plans bestand darin, das Wirtschaftswachstum in einen Bereich von ein bis drei Prozent anzuheben, denn vor 2010 hat es eine wirtschaftliche Abnahme in Ungarn gegeben. Es gelang uns, dies zu erreichen. Und jetzt sind wir hier, sind mit dem Jahr 2017 in die dritte Phase eingetreten, in der wir versuchen, das Wirtschaftswachstum in die Zone von drei und fünf Prozent zu transportieren. Das erste Vierteljahr ist in dieser Hinsicht vielversprechend. Auch die Prognosen sehen gut aus. In meinem Kalender stehen Einweihungen der Großinvestitionen beziehungsweise Grundsteinlegungen neuer Investitionen. Hieraus ersehe ich im Großen und Ganzen, ersehe ich über die statistischen Zahlen hinaus auch lebensnah, wie sich die ungarische Wirtschaft bewegt, und ich kann sagen, dass 2017-18 das zwischen drei und fünf Prozent liegende Wirtschaftswachstum vorhanden sein wird. Aber damit ist unsere Geschichte noch nicht zu Ende, denn der letzte Abschnitt unseres Planes handelt davon, dass das Wachstum in die Zone von über fünf Prozent gebracht werden muss. Aber hierfür sehe ich erst irgendwann um 2020 eine Möglichkeit, bis dahin werden noch ein-zwei Dinge geschehen, zum Beispiel wird man diese Wirtschaftspolitik verteidigen müssen, die sich grundsätzlich auf die Lohnerhöhungen und die niedrigen Steuern aufbaut. Hierzu muss eine Wahl gewonnen werden, denn die ungarische Opposition will diese Wirtschaftspolitik verändern, wir müssen sie verteidigen. Dies nennt man Wahlen. Und wenn dies gelingt, dann werden wir nach 2018, bis 2020 in den Bereich des Wachstums von über fünf Prozent vordringen.

Wir setzen damit gleich fort. Sie haben jetzt hier als einen Schritt in Richtung auf größeres Wachstum die Großinvestitionen genannt. Was noch? Denn dies scheint so auf den ersten Blick noch zu wenig zu sein.

Steuersenkung. Nicht wahr, viele haben daran im Jahre 2010 gezweifelt. Sie haben gedacht, man könne mit Steuersenkungen nicht zugleich ein Wirtschaftswachstum und auch finanzielle Stabilität schaffen. Dies ist im Übrigen ein großes nationalökonomisches Dilemma. Ich will das Gewicht der Frage nicht herunterspielen und es ist auch kein Zufall, dass sich so viele Menschen geirrt haben. In dieser Frage ist die gesamte liberale Branche von Wirtschaftswissenschaftlern aufs Eis gelaufen, denn sie hatten ja behauptet, die beiden Dinge würden zugleich nicht gehen, sie haben die Finanzen immer durch Restriktionen stabilisiert, und das Ordnen der Finanzen hatte dann immer das Wachstum zum Opfer. Wir wollten mit dieser Praxis brechen. Wir wollten gleichzeitig Wachstum und finanzielle Stabilität, und die Lösung hierfür ist das Anpeilen der Vollbeschäftigung, und deren Erreichen über Steuersenkungen sowie dem damit verbundenen System der öffentlichen Beschäftigung, weiterhin der Aktionsplan zum Schutz der Arbeitsplätze, was eine gezielte Form der Steuersenkung ist. Nun, über diese Stationen führte der Weg. Dies hat Erfolg gehabt. Ich glaube also, dass die Steuersenkung auch weiterhin eine Schlüsselfrage in Ungarn ist. In Ungarn muss man nicht die Menge und den Anteil des mit Hilfe von Steuern eingetriebenen Geldes erhöhen – das würde die ungarische Wirtschaft töten, wenn wir auf diesen sozialistischen Weg zurückkehren würden –, wir müssen die Politik der Steuersenkung fortsetzen. Auch im Jahr 2017 Jahr geht es hierum, und auch der 2018-er Haushalt basiert darauf.

Würden Sie eine Zahl nennen, die das Ziel ist, ein realistisches Ziel?

Nun, es gibt vielerlei Steuern in Ungarn, man kann also nicht mit einer einzigen Zahl operieren, aber zum Beispiel im Fall der Umsatz- und der Verbrauchssteuer kann ich sagen, dass wir im Bereich der zum Leben notwendigen Artikel, angefangen mit dem Schweinefleisch über die Milch und die Eier – jetzt gerade kommt der Fisch an die Reihe, ab dem 1. Januar ’18 –, hier haben wir bedeutende Mehrwertsteuersenkungen durchgeführt, haben den Schlüssel von 27 auf 5%, und von 18 auf 5% gesenkt. Die Mehrwertsteuer für das Internet möchten wir auf fünf Prozent senken, auch im Falle der grundlegenden Gastronomie haben wir uns auf eine große Senkung vorbereitet, wir haben ja bereits schon im letzten Jahr einen Schritt vollzogen, beziehungsweise auch dieses Jahr einen, und kommendes Jahr werden wir den Schlüssel der Mehrwertsteuer auch hier auf fünf Prozent senken. Die Körperschaftssteuer ist auf einem in Europa herausragend niedrigen Niveau, unter 10%, auch die Einkommenssteuer konnten wir zuerst auf 16% senken, jetzt ist die gerade bei 15, auch so haben wir unsere Pläne nicht aufgegeben. Man darf nicht dogmatisch sein, die Steuersenkung bedeutet eine Richtung, und dann werden wir sehen, auf welchem Gebiet die konkreten Wirtschaftsdaten und die Wirtschaftsleistung welches Maß einer Steuersenkung ermöglichen, und dann gehört als Drittes auch die Politik der Lohnerhöhungen hierher. Wenn man die Löhne im Einklang mit der Wirtschaftsleistung erhöht, dann hat die Wirtschaft davon einen Vorteil. Nun ist natürlich die Frage, wer es weiß, wie der richtige Einklang aussieht? Ich muss jetzt sagen, dass zwar der Vater dieser Wirtschaftspolitik György Matolcsy ist und ihre Durchführung Mihály Varga leitet, also gebührt ihnen auch an dieser Stelle die Anerkennung, doch würde ich ganz leise auch die Handels- und Industriekammer und deren Leiter erwähnen, denn was genau die reale Situation der ungarischen Wirtschaft und was der begründete nächste Schritt ist sowie welches die richtigen Verhältnisse sind, das kann man aus den Ministerien heraus nur sehr schwer beantworten, das heißt diese Fragen beantworten. Dies können die tatsächlichen Akteure in Kenntnis des Terrains beantworten, deshalb war es zum Beispiel wichtig, die Fragen, was bei den Lohnerhöhungen möglich war und was nicht, was gut gewesen wäre und was gut war, auf die Weise beantworten zu können, dass wir ein Abkommen mit den Gewerkschaften, den Arbeitgebern geschlossen hatten, und so haben die tatsächlichen Akteure des Wirtschaftslebens auf Grund echter Erfahrungen jene Zahlen für die Lohnerhöhungen festgelegt, die man noch erfüllen konnte, ohne dass die Arbeitslosigkeit angewachsen wäre oder wir unsere bisherigen wirtschaftlichen Ergebnisse kaputtgemacht hätten. Das Gefühl für die Relationen, die Urteilsfähigkeit und die Fähigkeit Verhältnisse zu erkennen, das Maßgefühl sind wichtige Dinge, und dies hat die ungarische Regierung in den vergangenen Jahren sowohl von den Gewerkschaften als auch von Arbeitgebern, der Handels- und Industriekammer erhalten.

János Lázár sagte, bis 2030 müsse die Zahl der Geburten deutlich ansteigen. Ich weiß, dass Sie daran arbeiten, wie dies zu verwirklichen sei. Gibt es eine neue Maßnahme, über die Sie man im Zusammenhang hiermit uns schon mit Sicherheit etwas verraten können?

Es wird sie geben. Jetzt kann ich noch nichts verraten, dies wäre heute Morgen noch verfrüht. Wir möchten lieber den Ausgangspunkt klarstellen. Wir haben schöne Ergebnisse, die Menschen arbeiten auch mehr, nicht wahr, es lohnt sich auch, zu arbeiten, auch die Zahlen bessern sich, doch läuft das Leben letztlich doch im familiären Rahmen ab, und die Familie ist immer mehr als nur einige Ziffern und Wirtschaftsleistung, und auch die Zukunft Ungarns hängt von der Zukunft der Familien ab. Wenn wir starke Familien haben werden, dann besitzt Ungarn eine Zukunft, wenn wir keine starken Familien haben werden, dann sind unsere Ziffern vergeblich gut, dies kann nur einen vorübergehenden Erfolg bedeuten. Langfristig ist also die Voraussetzung sowohl für das Erhaltenbleiben als auch für den Erfolg, dass wir liebevolle, heitere, sich selbst in Sicherheit fühlende Familien haben. Hierzu sind Männer und Frauen nötig, deshalb verfolgen wir solch eine Politik der alten Schule, die Familie bedeutet für uns Mann und Frau, und infolgedessen sind dann Kinder notwendig. Die Situation ist die, dass in Ungarn heute nicht genügend Kinder geboren werden. Wir wollen in niemandes Leben hineinreden, denn ein jeder entscheidet selbst, wie viele Kinder er haben möchte; ein jeder muss seine eigene Lebensstrategie verfolgen. Dies kann keinerlei Regierung beeinflussen. Man kann die Menschen nicht von ihrem Willen abbringen, denn das, was in ihren Köpfen und Herzen ist, das wird geschehen, doch ist es wichtig, auszusprechen, dass wenn es nicht genügend Kinder gibt, dann werden wir verschwinden, und wir sind nicht China, um zum Anfang des Gesprächs zurückzukehren, wo sie es sich erlauben können, zeitweise einige Millionen Menschen weniger zu sein, denn dort leben mehr als 1 Milliarde und 300 Millionen Menschen, aber die Zahl der ungarischen Staatsbürger beläuft sich auf die Größenordnung von 10 Millionen, und wenn ich einen jeden zusammenzähle, der als Ungar in der Welt existiert, dann kann ich diese Zahl bis auf etwa 15 Millionen hochturnen. Diese Zahl kann leicht verschwinden. Und die Lage ist die, dass 2010 ein Ehepaar, oder ein Mann und eine Frau, insgesamt 1,20 und einige Prozent Kinder hatten. Wenn diese Zahl für Sie deutbar ist, dann sehen Sie, dass die Menschen also nicht einmal dazu genug Kinder hatten, um sich selbst zu reproduzieren, sich selbst aufrechtzuerhalten, sich zu ersetzen, denn 2 Menschen hatten weniger als 2 Kinder. Inzwischen befinden sich diese 1,29 Kinder irgendwo um 1,49 herum, ohne Einwanderung und Migration, was eine Schlüsselfrage ist, denn während wir uns auch inmitten einer anderen großen Debatte befinden, also ob man die europäischen Nationen auch ohne die Aufnahme von Migranten retten kann – unsere Antwort lautet: „Ja“ –, doch dazu muss man auch eine Familienpolitik gestalten. Und das, worüber János Lázár sprach, ist, dass die Regierung ein demographisches Kabinett, eine Kabinettssitzung zur Familienpolitik abgehalten und den Beschluss gefasst hat, dass bis 2030 in diesem Land solche Zustände geschaffen werden müssen, dass die Kinderzahl bei 2 Eltern 2,1% erreichen soll, das heißt jene Zahl, die zur Erhaltung der ungarischen Bevölkerung notwendig ist. Dies ist eine sehr große Aufgabe, dies ist eine sehr große und mutige Zielsetzung, sehr viele Instrumente müssen dem zugeordnet werden, von der Unterstützung der Familie bis hin zur Erleichterung, Arbeit übernehmen zu können, bis hin zur Schaffung von Wohnungen, der Umformung des Unterrichtssystems müssen wir viel machen, damit unsere große Nation eine Gemeinschaft sei, die bis 2030 garantiert und sicher in der Lage sein wird, sich selbst auch biologisch zu reproduzieren, das heißt mit anderen Worten, dass sie aus liebevollen, sicheren und stabilen Familien besteht.

Ist die Stimmung derzeit bei Ihren Verhandlungen in China oder in Brüssel heiterer?

Nun, das sind unterschiedliche Welten, aber man muss auch in China vernünftig bleiben. Die Chinesen sind heiterere Menschen, dort stehen also schon von Vornherein die Harmonie und das Streben nach Harmonie im Mittelpunkt des philosophischen Denkens. Im Mittelpunkt der westlichen Politik steht das Streben nach Freiheit. Und das Streben nach Freiheit ist immer ein Konflikt, denn wovon muss man frei sein?… Also ist die europäische Politik schon von Vornherein ständig in einem alarmierten Zustand gegenüber den die Freiheit gefährdenden Erscheinungen, bei allem geht es hierum. In China achtet man demgegenüber darauf, wie man ein Problem auf die Weise lösen kann, dass es zu irgendeinem ausgewogenen Ergebnis führt, das sie als Harmonie bezeichnen. Die Harmonie bedeutet nicht nur ein äußeres Gleichgewicht, sondern auch ein inneres Gleichgewicht. Dies ist ein heiteres Volk, es ist sehr angenehm, mit ihnen zu verhandeln, doch zugleich reden wir auch über eine sehr kluge Nation, die ihre eigenen Interessen mit mathematischer Genauigkeit kennt, und während sie natürlich höflich ist, gibt sie hinsichtlich ihrer Interessen kein Jota nach. Man muss also sehr viel darüber nachdenken, damit man solche Lösungen auf den Tisch legen kann – denn der Kleinere muss immer mehr nachdenken –, die gleichzeitig für den Großen und auch für uns gut sind, die für sie gut sind und auch für uns gut sind. Hierzu ist eine ernsthafte intellektuelle Arbeit notwendig, deshalb ist es stimmungsmäßig in China einfacher, aber intellektuell schwieriger.

Auch das Europäische Parlament gibt hinsichtlich seiner Interessen nicht nach, sie streben nach irgendeiner Art von Ausgewogenheit. Der Fraktionsführer der Volkspartei sagte, der Ball – und sprechen wir jetzt über den EP-Beschluss –, also der Ball befindet sich auf Ihrer Hälfte des Spielfeldes, wenn Sie richtig reagieren, sind Sie Mannschaftsspieler, wenn nicht, dann wird dies Folgen haben. Dies scheint freundschaftlich zu sein, doch so sehr anerkennend ist es aber auch nicht.

Na, sehen Sie, so etwas würde man in China niemals sagen. Dies zeigt also sehr gut, auf welche Weise die europäische Politik verzerrt ist. Also dass in Brüssel jemand, und seine Parteizugehörigkeit ist im Grunde egal, auf eine Weise mit irgendeinem Mitgliedsstaat spricht, dass dieser Staat sich auf diese oder eine andere Weise zu verhalten habe, und wenn er so reagieren sollte, dann wird dies das eine bedeuten, wenn er aber auf eine andere Weise reagiert, dann wird das Schlechtes bedeuten… Die ganze Attitüde ist niederschmetternd.

Ja, aber so sind halt die Regeln.

Aber nein… Das Wesen Europas befindet sich nicht in Brüssel. Das Wesen Europas befindet sich in den Mitgliedsstaaten. Europa ist nicht Brüssel, Europa: Das befindet sich in Warschau, Budapest, Paris, Berlin, Rom, also im Zentrum der Nationalstaaten. Und dass die Nationalstaaten von den in den europäischen Institutionen arbeitenden Menschen nicht den Respekt erhalten, das ist niederschmetternd, denn sie haben das Pferd von hinten aufgezäumt. Die Lage ist die, dass sie von uns abhängen, und nicht wir von ihnen. Dies ist ein Irrtum, diese ganze Annäherung ist ein Irrtum, der ganze Beschluss des Europäischen Parlaments ist der Abdruck einer verfehlten Politik. Unzweifelhaft steht hinter unseren jetzigen oder hinter den gegen uns jetzt geführten Attacken ein offensichtlicher Grund, das ist die Migration, alles andere ist unwesentlich. Die Lage ist die, dass es in Europa eine sehr ernsthafte geistige, politische, wirtschaftliche Interessengemeinschaft gibt, die manchmal auch die Parteigrenzen übergreifend ist, die sich das Ziel gesteckt hat, jedes Jahr mehrere hunderttausend, wenn möglich, dann eher eine bis anderthalb Millionen Fremde nach Europa hereinzubringen. Der Vater dieses Gedankens und zum Teil sein Finanzier und Organisator ist George Soros, um es geradeheraus zu sagen! Nun, das, was dann das Europäische Parlament als irgendeinen Bericht anfertigt – sie haben so etwas ja auch schon früher einmal gemacht, das hieß Tavares-Bericht, und sie haben im Übrigen ein erbärmliches Fiasko erlebt – , dies ist einer der hässlichsten Momente des Europäischen Parlaments, jetzt werden sie einen Soros-Bericht anfertigen. Jetzt hat also das Europäische Parlament beschlossen, sprechen wir deutlich, einen Soros-Bericht über Ungarn anfertigen zu lassen. Nun, wenn jemand diesen Beschluss liest, über den wir uns jetzt unterhalten, und den das Europäische Parlament vor einigen Tagen gefällt hat, dann weiß er nicht, ob er lachen oder weinen soll. Ich habe eine Lieblingsstelle, an der sie sagen, dass… an der sie unsere Sünden aufzählen. Eine unserer Sünden ist die, ich werde jetzt zitieren, da heißt es: „Im Laufe des Gerichtsverfahrens wurde der in Zypern ansässige syrische Staatsbürger Ahmed H. zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe lediglich nur deshalb verurteilt, weil er zur Lösung der Spannung ein Megafon benutzt und drei Gegenstände auf die Grenzsoldaten geschleudert hat.“ Nun, dies ist jener syrische Mensch, der während der Unruhen bei Röszke den Zaun durchbrechen wollte, die Menschen mit dem Megafon aufhetzte und die Polizisten angriff. So sieht das aus, diese Straftat, sie wird in Brüssel auf diese Weise beschrieben, und sie wird uns zur Last gelegt. Das ist unfassbar. Ich muss also sagen, man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, doch zeigt auch dieser Text sehr gut, dass die Soros-Truppen in Brüssel äußerst entschlossen sind, nicht einmal vor Absurditäten zurückschrecken.

Wenn wir jetzt zeitlich einen Sprung in die Zukunft machen und uns hier auch schon auf das Gerichtsurteil konzentrieren, wird dann Ungarn in – sagen wir – drei oder fünf Monaten weinen oder lachen?

Nun, schauen Sie, Ungarn ist ein Land, das auf seine eigene Zukunft vertraut. Diese Ereignisse, dass man uns in Brüssel angreift, wird uns nicht von unseren Zielen abbringen und wird unsere Ziele nicht ändern. Ungarn wird seinen eigenen Weg gehen, so wie bisher wird es das auch in der Zukunft tun. Wir wollen bestimmen, mit wem wir zusammenleben sollen und mit wem nicht, dieses Recht übergeben wir niemandem. Wir wollen festlegen, wie hoch die Energiepreise in Ungarn sein sollen, und dieses Recht überlassen wir Brüssel nicht, auch wenn es dies gerne übernehmen würde. Und wir werden auch festlegen, wie hoch die Steuern sein sollen und wie wir unsere Wirtschaft regulieren, und dieses Recht überlassen wir Brüssel nicht. Ich bin der Ansicht, ganz gleich, was auch immer in Brüssel gemacht wird, ohne die Zustimmung Ungarns und der anderen mitteleuropäischen Länder kann man keine nationalen Zuständigkeiten Brüssel übergeben. Wir vertreten einen europäischen Standpunkt. Natürlich spielen sie in Brüssel jenes Spiel, nach dem jener, der nicht mit ihnen übereinstimmt, keinen europäischen Standpunkt vertrete – was übrigens keine allzu geistreiche Argumentation darstellt. Die Wirklichkeit ist, dass wir die gegenwärtige europäische Trennung von Zuständigkeiten und Rechten verteidigen. Dies ist eine europäische Errungenschaft, wir haben sie gemeinsam geformt. Auch das ist ein europäischer Standpunk, nicht das zu verändern, was besteht, und was wir gemeinsam errichtet haben. Sie behaupten, wer dies nicht verändern wolle, der sei kein Europäer. Meiner Ansicht nach ist diese Argumentation inakzeptabel, man muss den ungarischen nationalen Interessen treu bleiben.

Die Lage ist aber trotzdem die, dass Dank der Politiker der Volkspartei der strengere Beschluss angenommen worden ist. Ist Ungarn auf dem Weg zu diesem Artikel 7? Die Frage ist, wie weit Ungarn gehen wird? Bis zur Wand, wie man das so sagt, oder gibt es Punkte in den Gesetzen, wir wissen hier im Großen und Ganzen, um welche Gesetze es geht, bittet man um Veränderungen im Hochschulgesetz und den Gesetzen über die Zivilen…?

Und die Migration… Das ist das schwerwiegendste.

Und die Migration. Aber gibt es unter diesen, die wir jetzt aufgezählt haben, eines, in dem Sie Veränderungen vornehmen würden?

In der Europäischen Union gibt es ein Verfahren, um Diskussionen zu regeln. Wenn also jemand dem anderen nicht zustimmt oder wenn sie der Ansicht sind, dass irgendeine europäische Regel durch einen Nationalstaat beleidigt wird, dann gibt es ein Verfahren zur Regelung dieser Debatte. Dieses läuft, wir nehmen also an diesen Debatten regelmäßig teil, das sind manchmal wirtschaftliche Fragen, manchmal ideologische Fragen, manchmal Fragen der Einwanderung oder der Migration. Wir nehmen an diesen Diskussionen teil, stellen unseren Standpunkt vor, und so wie Sie formulieren, wir gehen bis zur Wand, wenn es sein muss, gehen wir bis zum Ende des Gerichtsverfahrens, wo dann entschieden wird, wer in der juristischen Beurteilung einer gegebenen Sache recht hat. Wir haben diese Entscheidung immer zur Kenntnis genommen, doch werden wir, im Zeichen des Denkens von Ferenc Deák, auf keines unserer Rechte verzichten.

Wenn aber das Gericht entscheidet, dass in diesem Gesetz Ungarn etwas ändern muss?

Nun, dann muss das Ungarn durchführen. Was die Durchführung genau umfasst und wie sie vollführt werden muss, wird dann eine weitere Auseinandersetzung sein, denn man kann uns zwar irgendwelchen Urteilen unterstellen, doch wird man uns davon niemals überzeugen können, nicht für unsere Interessen zu kämpfen – und wir werden immer für unsere Interessen kämpfen.

Sie hörten Ministerpräsidenten Viktor Orbán.