Viktor Orbáns Presseerklärung nach seinen Gesprächen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan
8. Oktober 2018, Budapest

Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte den Präsidenten der Türkei auch vor der Öffentlichkeit mit Respekt begrüßen, der uns damit beehrt hat, nach Budapest zu kommen. Dieser Besuch ist für uns nicht nur auf Grund des durch die gemeinsame NATO-Mitgliedschaft bestehenden Bündnisses wichtig, wenn auch am wichtigsten letztendlich die Tatsache ist, dass wir über die NATO gegenseitig Verbündete sind, doch ist er auch deshalb wichtig, denn die ungarische Außenpolitik verfügt über ein traditionelles Koordinatensystem der Orientierung. Die ungarische Außenpolitik muss immer auf drei Hauptstädte besonders achten. Diese sind Stambul, das man heute Ankara nennt, Moskau und Berlin. Das sind die drei Großmächte und großen Länder, in deren Einzugsbereich Ungarn sein Leben seit vielen hundert Jahren lebt. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass das Verhältnis Ungarns zu Ankara, zur Türkei immer ausgewogen, geordnet und positiv sei. Mit jedem unserer besonders wichtigen Partner, so auch mit der Türkei, gibt es regelmäßige jährliche Treffen, auf denen wir die Lage der Kontakte zwischen den beiden Ländern überblicken. Die Verbindungen zwischen den beiden Ländern beruhen auf Respekt, ja von unserer Seite geht es hierbei um noch mehr, denn die Lage ist die, dass die Sicherheit Ungarns in unmittelbarem Zusammenhang mit der Stabilität der Türkei steht. Die stabile türkische Regierung, die stabile Türkei sind die Voraussetzung dafür, dass Ungarn über die Festlandsroute der Migration durch keinerlei Gefahr bedroht werde. Wir möchten klar aussprechen, dass es eine der stärksten ungarischen nationalen Interessen ist, dass die Türkei immer so stabil und stark sei, um in der Lage zu sein, in der Region den Frieden zu schaffen bzw. die aus der Region Richtung Europa sich bewegende illegale Migration zu bremsen. Wir drücken der Türkei auch aus dem Grunde unsere Anerkennung aus, weil sie als aufnehmendes Land mehrere Millionen der von ihren Nachbarn zu ihr Flüchtenden aufnimmt und für deren Verpflegung sorgt. Ungarn hat auch aus dem Grund seinen Dank Herrn Präsidenten Erdoğan zum Ausdruck gebracht, da die Türkei das mit der Europäischen Union abgeschlossene Abkommen restlos einhält, das ebenfalls die Voraussetzung für die Sicherheit Europas ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Morgen werden wir die Gelegenheit haben, über die türkisch-ungarischen kulturellen Verbindungen auch an dem entsprechenden Ort zu reden, wir werden auch ein Wirtschaftsforum haben. Wenn Sie erlauben, möchte ich jetzt bei dem, was ich sage, den Akzent grundlegend auf die – aus unseren Verhandlungen jetzt hervorgehoben – wichtigsten Punkte der politischen Zusammenarbeit setzen. Wir sprachen gesondert über den Kampf gegen den Terrorismus, der für beide Länder wichtig ist. Die Türkei erstreckt sich in einer schwierigeren Gegend als Ungarn, dort ist die Bedrohung durch den Terror größer, deshalb ist es auch im grundlegenden Interesse der Türkei, dass Ungarn im Kampf gegen den Terror mit der Türkei kooperiere. Über die Detailfragen dessen haben wir heute lange gesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir haben auch über die Frage der militärischen Zusammenarbeit gesprochen, denn wir sind ja NATO-Verbündete. Das Niveau der militärischen Zusammenarbeit der beiden Länder war bisher niedrig, dies werden wir jetzt ändern, und wir beabsichtigen die Etablierung einer kräftigen Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie. Ich sage es für unsere türkischen Gäste, die Ungarn wissen es ja sowieso, dass wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der vergangenen Jahre und Jahrzehnte weder Kraft noch Geld für die Entwicklung der ungarischen Armee übriggeblieben war. Diesem Mangel wollen wir jetzt Abhilfe schaffen, und das Ziel Ungarns ist der Aufbau einer modernen, schlagkräftigen nationalen Armee, und hierbei zählen wir auf die Zusammenarbeit mit der Türkei, auf die militärische, fachliche und auch waffentechnische Zusammenarbeit. Über die Detailfragen dessen haben wir auch heute lange verhandelt. Ein gesondertes Kapitel stellt im Rahmen der heutigen Besprechungen die Frage der wirtschaftlichen Kooperation dar. Das sage ich jetzt den Ungarn, denn die Türken wissen dies auch ohne uns, dass die türkische Wirtschaft eine der größten Wirtschaften in der Welt ist, nicht nur die Bevölkerung der Türkei ist gewaltig, sondern auch ihre Wirtschaftskraft und auch ihr Potenzial, und wir kennen die Zielsetzungen von Herrn Präsidenten Erdoğan, die er so formuliert hat, dass er die Türkei unter die zehn größten Wirtschaften der Welt steuern möchte. Dies ist eine Absicht und eine Tatsache, die auch die ungarische Wirtschaftspolitik nicht außer Acht lassen darf; die sich daraus ergebenden Möglichkeiten möchten wir nutzen. Herr Präsident, ich erinnere mich so, dass wir beide vielleicht im Jahr 2012 oder ’13 hier in Budapest eine öffentliche Verpflichtung verkündet haben, in der es darum ging, dass wir den Handelsverkehr unserer beiden Länder auf fünf Milliarden Dollar anheben werden. Angehoben haben wir ihn, doch haben wir die fünf Milliarden noch nicht erreicht, also können wir mit Recht unzufrieden sein. Obwohl die Zahlen von 2017 mehr als überzeugend sind, denn ’17 haben wir einen Handelsrekord von einer Kapazität von drei Milliarden Dollar erreicht, und über das erste Halbjahr 2018 kann ich dem Herrn Präsidenten sagen, dass erneut ein Zuwachs von 19% geschehen ist, so dass unsere gemeinsame Zielsetzung von fünf Milliarden heute gar nicht mehr als irreal erscheint. Ich habe den Herrn Präsidenten darüber informiert, dass die Eximbank zum Zweck der ungarisch-türkischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit einen Kreditrahmen von 420 Millionen Dollar eröffnet hat. Wir haben über die in Ungarn tätigen türkischen Investitionen gesprochen, ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, die türkischen Investoren zu unterstützen und zu ermuntern. Und wir haben über die Möglichkeiten gesprochen, die vor der ungarischen Wirtschaft in der Türkei stehen, in welchem Bereich ich im Rahmen unserer heutigen Gespräche in erster Linie der Landwirtschaft und den bekanntlich auf Weltniveau stehenden ungarischen hydrologisch-technischen Fragen und Unternehmenstätigkeiten einen Raum eröffnen wollte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich muss sagen, wir haben erfolgreiche Verhandlungen hinter uns. Der Ausgangspunkt war nicht schlecht, denn die türkisch-ungarischen Verbindungen sind, ganz gleich aus welcher Perspektive wir sie betrachten, erfolgreich, doch war unser Plan, sie herausragend erfolgreich zu machen, und hierfür die wirtschaftlichen Voraussetzungen zu schaffen. Ich sehe es so, dass die heute zustande gekommenen Abkommen bzw. die heute geklärten Übereinstimmungen in unseren Absichten es ermöglichen, dass Ungarn an der Entwicklung, die die türkische Wirtschaft zeigt, teilnehmen und Ungarn in der Zukunft an Kapitalinvestitionen aus der Richtung der Türkei kommen kann, und dass wir in strategischen Zweigen, so wie in der Energetik und der Zusammenarbeit im Bereich der Rüstungsindustrie, Kooperationen etablieren können, wie sie bisher auf der Palette der Verbindungen der beiden Länder fehlten. Ich habe mich bei dem Herrn Präsidenten für das ehrliche, offene und freundschaftliche Gespräch bedankt, das ich meinerseits bestrebt war, zu erwidern. Nach den Verhandlungen kann ich sagen, dass ich mit den allerbesten Hoffnungen den türkisch-ungarischen Kontakten entgegensehe.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!