Rede von Viktor Orbán anlässlich des fünfzehnten Jahrestags der Gründung des Nézőpont-Instituts
24. November 2021 Budapest

Guten Tag, meine Damen und Herren!

Mein Name ist Viktor Orbán. Das sage ich nur deshalb, weil ich vom Fräulein die Aufforderung jetzt hier gerade als Dr. Viktor Orbán bekommen habe und wenn ich mich recht entsinne, gab es in meinem Leben einen einzigen Ort, wo ich auf den wegen meines Juraabschlusses mir zustehenden Titel bestand, und das war damals, als ich nach der Gründung der Fidesz, nunmehr als Juraabsolvent sofort wieder meinen Einberufungsbefehl bekam und dort ein halbes Jahr lang als Soldat Dr. Viktor Orbán diente.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die erste Frage lautet, wieso der amtierende Ministerpräsident der Einladung für heute Abend gefolgt ist, darüber hinaus, dass auch liebe Bekannte und sogar Freunde hier sind?  Dafür habe ich sogar zwei Gründe, mindestens zwei Gründe. Der eine ist persönlich. Sie konnten hier vorhin hören, dass das Nézőpont-Institut auch Medienbeobachtung macht. Die Leute wissen natürlich nicht genau, was Medienbeobachtung bedeutet, aber der Kernpunkt ist, dass es unmöglich ist, dass ein Verstand in der Lage wäre, sämtliche erwähnenswerte Flächen und Foren zu erfassen, deshalb müssen die von jemandem bereits vorangehend gelesen, geordnet werden, um anschließend den Entscheidungsträgern die wichtigsten Nachrichten gemäß einem System von Aspekten vorzulegen.  Ich beginne den Tag jeden Morgen so, dass ich, sobald ich mit der Nemzeti Sport fertig bin, sofort die inländische und internationale Medienbeobachtung des Nézőpont-Instituts durchsehen muss, um zu sehen, ob es etwas gibt, was eine sofortige Reaktion verlangt.  Der andere Grund, weshalb ich hier bin, ist, dass die Berater geraten haben, heute möglichst lieber nicht zu sprechen, denn sie sagten, worüber kann ein Ministerpräsident bei einem solchen Anlass überhaupt reden.  Und wenn der Ministerpräsident über die Wichtigkeit von Analyseinstituten zu sprechen beginnt, dann kommt es zu der Situation, die man Politik über Politik nennt, und das interessiert niemanden außer den Politikern und der Ministerpräsident solle sich nicht mit Politikern befassen, sondern mit den Menschen, folglich sollte ich mir das überlegen. Ich bin jedoch darauf gekommen, dass das ein solcher Jahrestag und ein solches Institut ist, dessen Gestaltung und Gründung mit einem besonderen historischen Augenblick verbunden ist. Wir sprechen über 2006 und wir sind nach den mit Lügen gewonnenen Parlamentswahlen, die die Linke gewonnen hat. Und in meinem heutigen Grußwort kann ich vielleicht nicht den Politikern, sondern vielmehr jedem interessierten ungarischen Staatsbürger sagen, weshalb es aus der Sicht der Menschen wichtig ist, dass es solche Institute gibt.

Bevor ich jedoch das tue, darf ich Sie an den kleinen Filmausschnitt über die Prognose der vorherigen Wahlen erinnern, die dann von Ágoston Mráz auch kommentiert wurde, also dass das zu erwartende Wahlergebnis vom Nézőpont-Institut im Allgemeinen richtig bewertet wird und angesichts von drei Wahlen gesagt werden kann, dass das Nézőpont-Institut das zu erwartende Ergebnis gut zu bewerten pflegt. Der Filmausschnitt zeigt gut, dass zu einem solchen Ergebnis, das 2010 und womöglich auch in 2014 und 2018 vielleicht viele überrascht hat, zu einem solchen Wahlerfolg mit diesem hohen Anteil zunächst Analysen nötig sind. Nach der Analyse wird Planung benötigt, dann muss gearbeitet werden, dann muss man ackern und am Ende wird das Ergebnis verkündet. Es freut mich also sehr, dass wir hier in diesem kleinen Film sehen konnten, dass für einen ernsthaften Wahlsieg noch dazu für aufeinander folgende Wahlsiege noch mehr, sehr viel Arbeit gemacht werden muss. Der Sieg wird nicht vom Winde hergeweht, Zweidrittel kriegt man nicht zufällig, besonders nicht zwei oder dreimal hintereinander.

Und schließlich bin ich auch deshalb gekommen, oder ich bin deshalb mit großer Freude gekommen, oder ich habe, – wenn man es so sagen kann, – deshalb darauf bestanden, auf jeden Fall hier sein zu können, nachdem ich eine Einladung bekommen habe, weil Tibor Navracsics hier eine wichtige Rolle spielt und ich dachte mir, seine Person ist ein guter Anlass, um etwas über den intellektuellen Gehalt von Politik zu sagen. Also die Sache ist die, dass der Satz vielleicht von Margaret Thatcher stammt, ich ihn jedoch von Tibor Navracsics gelernt habe, wonach man in der Politik auch die Schlacht der Argumente gewinnen muss.  Es gibt also keinen politischen Sieg, wo die Fragen auf dem Tisch liegen, ob die nun vom Leben oder vom politischen Gegner gestellt werden und man diese Diskussionen nicht auf sich nimmt, sich nicht an ihnen beteiligt und sie nicht gewinnt. Man gewinnt natürlich nicht alle, denn das gibt es nicht, dann hat man keine zwei, sondern drei Drittel und hundert Prozent, alles kann man nicht gewinnen, es ist aber unumgänglich, die Schlacht der Argumente zu schlagen und zu gewinnen. Das ist die intellektuelle Seite der Politik. Und bei dieser Lektion, die wir von Tibor gelernt haben – er ist ja auch Lehrer – geht es darum, dass es keine Politik ohne intellektuelle Leidenschaft gibt. Diskussionen kann man nämlich nicht gewinnen, ohne die Diskussionen selbst und die Situation, in der man von jemandem vor eine intellektuelle Herausforderung gestellt wird, die es zu beantworten gilt, zu genießen, wenn das nicht motiviert, nicht begeistert, dann hat man in der Politik wahrscheinlich nicht viel verloren.  Für die Politik braucht man auch intellektuelle Leidenschaft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das ist selbst dann wahr, wenn es in der Politik letzten Endes nach allen großspurigen, holistischen, globalen und intellektuellen Diskussionen zumeist doch darum geht, wie es um die Lebenshaltungskosten bestellt ist. Wenn ich mir nämlich die Analysen von Századvég ansehe, dann sehe ich, dass für die Menschen die wichtigste Frage natürlich die der Lebenshaltungskosten ist. Und damit sind wir wieder bei Margaret Thatcher, die in der Hinsicht, was ich jetzt sagen werde, von András Gyürk zitiert zu werden pflegt und gesagt hat, Kommunisten gehe immer das Geld der anderen aus. Und das ist wirklich so. Und wenn ihnen das Geld der anderen ausgegangen ist, müssen sie neue Steuern erheben, damit erhöhen sie die Lebenshaltungskosten und in der Tat: Am Ende wird trotz aller intellektuellen Leidenschaft, trotz aller umfassenden Analysen die Frage wichtig: Wer bietet nun was an, wer hat was getan, wer will was tun in Bezug auf den Lebensunterhalt, in Bezug auf die alltäglichen Finanzfragen, ich will also sagen, der Kampf um die Gemeinkosten ist ewig. Das ist auch heute noch so, und das wird auch bei den kommenden Wahlen nicht anders sein. Es gibt uns, die die Gemeinkosten gesenkt haben und sie niedrig halten wollen, und es gibt diejenigen, die sagen, dass dies unvernünftig ist, dass wir sie durch den Markt regeln lassen sollten, dass die Menschen lieber weniger verbrauchen sollten und sie sagen liberale Lehrbücher auf und wenn es zu einer politischen Praxis oder einer Regierungstätigkeit wird, wird das zu einem Anstieg der Lebenshaltungskosten führen. Aber bis man auf diese einfache Schlussfolgerung kommt, muss man sehr viele Bücher lesen und dem Ratschlag von Tibor Navracsics entsprechend sehr viele Debatten gewinnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Nun möchte ich darauf zu sprechen kommen, was ich sagen möchte. Wie kann man Nicht-Politikern die Bedeutung solcher Forschungs- und Analyseinstitute erklären? Warum ist es wichtig, in einem Land solche zu haben? George Orwell hat einmal gesagt: „In Zeiten der Lügen gilt es als revolutionäre Tat, wenn man die Wahrheit sagt”. Er sagte auch, dass Freiheit bedeutet, sagen zu können, dass zwei plus zwei gleich vier ist. Wenn wir nun an die Gründung des Nézőpont-Instituts denken, können wir das Nézőpont-Institut ruhig als eine revolutionäre Organisation bezeichnen. Es ist als eine Institution entstanden, die es auch dann wagte, zu sagen, dass zwei plus zwei gleich vier ist, als alle lautstark das Gegenteil behaupteten. Ich erinnere mich auch an die Anfänge. Wir schreiben das Jahr 2006, und seit der Rede von Öszöd sind kaum einige Monate vergangen. Diese Epoche kann man ohne Ziselierung getrost als das Zeitalter der Lüge bezeichnen. In jenen Jahren wurde ein ganzes Land bewusst und koordiniert getäuscht, und Wahlen konnten durch das Verschweigen und die Fälschung von Haushaltszahlen gewonnen werden, damit sich für die Menschen, die Wähler nicht herausstellte, wie die Lage in Wirklichkeit war. Dieses Gefühl macht einen wütend, wenn man auf der anderen Seite steht. Es ist ein Gefühl, das wütend macht; man sieht, man weiß, dass alles nur ein Schwindel ist, und doch ist man in Ermangelung der Mittel nicht in der Lage, den ungarischen Wählern zu zeigen, was in Wirklichkeit vor sich geht. Dann, nachdem man die Wahl verloren hat und der Gegner durch Lügen gewonnen hat, wird mit einem Krisenmanagement begonnen, das im Wesentlichen auf Restriktionen und weiß Gott, was für anderen Maßnahmen beruht, mit denen die Bevölkerung geschunden wird. Und die eigene Lage ist noch ärgerlicher, denn man will sagen, dass selbst die so verursachte Krise anders gehandhabt werden könnte oder zumindest Fragen gestellt oder diskutiert werden könnten, ob mit einer Krise, die die Menschen letzten Endes ruiniert, so umgegangen werden muss, – was dann natürlich vier Jahre später zu einer Zweidrittelmehrheit für uns führen wird, aber das macht uns nicht glücklich, weil den Menschen bis dahin vier Jahre ihres Lebens genommen werden – und man hat keine Diskussionsmöglichkeit, man spürt, wie eine Dampfwalze mit furchtbarer Wucht auf einen zukommt, die darüber spricht, dass es nur so geht, nur mit Restriktionen, nur durch die Erhöhung der Gemeinkosten, nur durch die Erhöhung der Gaspreise, nur durch die Erhöhung der Strompreise, nur durch Lohnkürzungen, nur durch Steuererhöhungen, und es kommt eine schreckliche Dampfwalze auf einen zu, und man hat nicht die Kraft, die Mittel, die Stimme, die Leute, die einem helfen könnten, zu sagen, dass das nicht stimmt, dass es andere Möglichkeiten gibt.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, das war der Moment, als das Nézőpont-Institut gegründet wurde. Im Hintergrund stand wohl die Überlegung, die wir normalerweise Platon zuzuschreiben pflegen, der sagte, dass man, wenn man sich nicht selbst politisch engagiert, dazu verdammt ist, von Leuten regiert zu werden, die weniger begabt sind als man selbst. Es waren nun die Zeiten des Notstands, als das Nézőpont-Institut geboren wurde, und wir können nicht dankbar genug dafür zu sein, dass sie diese unhaltbare Situation beendet und uns geholfen haben, mit dem Zeitalter der Lügen abzurechnen und endlich frei sagen zu können, wie die Dinge in Ungarn in Wirklichkeit stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir uns der Welt der Politik nähern, kann ich sagen, dass es in der Politik zwei Tierarten gibt. Man ist entweder ein gewählter Politiker oder man versucht, das eigene Talent auf dem Gebiet der politischen Analyse beruflich zu verwerten. Im Jahr 2006 gab es diese letztere Art kaum oder falls doch, so war ihre Arbeit sehr schlecht organisiert. Die politische Analyse als Beruf steckte 2006 in Ungarn in den Anfängen, wenn man sie mit den Zuständen vergleicht, unter denen wir heute ansonsten leben, und mit der Leistung, zu der dieser Beruf heute fähig ist. Im Jahr 2006 galt noch die geistreiche Frage: Wer ist ein Politologe? Ein Politologe ist ein Politiker, der es nicht geschafft hat. Von hieraus haben wir es so weit geschafft, dass heute bereits auch in unserem Beruf eine moderne Analyse- und Forschungsarbeit durchgeführt wird, die auch nach westeuropäischen Maßstäben als strukturiert bezeichnet werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn es einen Beruf gibt, wo die Gefahr besteht, was in auf Ungarisch so zusammengefasst wird, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, dann trifft das auf die Politik auf jeden Fall zu. Wenn man also am Abend – wie auch dieser der Tag langsam zu Ende geht, – die Arbeit des Tages bewertet, was ich jedem empfehle, falls möglich, ich tue das immer, was haben wir getan, wie weit haben wir es geschafft, wie viel konnte vom großen Stapel der unerledigten Fälle auf die andere Seite des Tisches gelotst werden und mit wie vielen Leuten mussten wir dafür verhandeln, Vereinbarungen treffen oder vielleicht streiten. Wenn man also als Politiker den Tag beendet, dann sieht man, dass der Tag damit verging, dass man sich laufend mit sehr konkreten, realen Problemen befasst hat, dass man für das eingetreten ist, wofür man eintreten musste und Entscheidungen nach eigener Überzeugung getroffen hat, aber all das sind viele Dutzende von Entscheidungen: Bäume. Aber wo wir mit den Entscheidungen eigentlich stehen, ob wir Bäume gefällt oder gepflanzt haben, welche Form der Wald jetzt hat: Rechteckig, rund, ist er gewachsen oder geschrumpft, das kann man abends von innen nicht sehen. Wenn es also einen Beruf gibt, in dem wir sozusagen eine distanzierte, objektive Sichtweise brauchen, die frei von persönlicher Voreingenommenheit ist und uns darüber informiert, in welche Richtung unsere Entscheidungen das Land eigentlich führen, und zwar nicht jede für sich, sondern in der Gesamtheit, nun, wenn es einen solchen Beruf gibt, dann ist es definitiv der Beruf des Politikers. Man braucht einen Hintergrund, wie auch das Nézőpont-Institut, dessen Berufung es ist, unsere Arbeit unverzerrt, realitätsnah und mit den Mitteln der Wissenschaft zu betrachten. Das unterscheidet die politische Analyse sowohl von der Politik als auch von der Publizistik.

Ágoston hat hier gerade über die Welt der Think Tanks gesprochen. Wissenschaftliche Institute, die sich mit Politik befassen, werden auf Englisch Think Tanks genannt. Das ist ein sehr hässlicher Ausdruck, der im Ungarischen keinen Sinn ergibt, aber im Moment verwenden wir dieses Wort so wie es meine Vorgänger getan haben, weil wir nichts Besseres haben. Wenn man jedoch versucht, die englische Wurzel des Begriffs zu betrachten, so stammt sie wahrscheinlich aus dem Militärjargon, im Gegensatz zu dem ersten Gedanken, wobei man an eine Art Behälter denkt, mit dem viele Gedanken gesammelt werden, das ist vermutlich eher ein militärischer Begriff, der bedeutet, dass es einen sicheren Ort geben muss, an dem für diejenigen, die operative Entscheidungen treffen, in Ruhe die Vorschläge und Analysen gemacht werden können, aufgrund derer dann Führungsentscheidungen getroffen werden können.  Das heißt, Sie brauchen einen sicheren Ort, der nahe genug am Feuer liegt, wo aber nicht zu befürchten ist, von einer verirrten Kanonenkugel den Kopf weggeschossen zu bekommen. Nun, das sind die politischen Analysten und die politischen Forscher. Und das Nézőpont war das erste, vielleicht das erste ungarische Institut, das in Ungarn bewusst und mit Bedacht nach dem Vorbild westlicher Think Tanks gegründet wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Seit der Gründung vom Nézőpont sind 15 Jahre vergangen, und 12 Jahre davon waren wir an der Regierung. Wir sind dankbar, und ich bin dem Nézőpont-Institut auch persönlich dankbar, weil sie uns geholfen haben, die Ansichten der Menschen zu erfahren. Es ist keine ausschließliche Quelle, und es ist keine schlechte Idee, so oft wie möglich in die Welt der unmittelbaren Reaktionen der Bevölkerung einzutauchen, indem man sich mit den Menschen trifft, aber ohne sie zu sammeln und zu analysieren, können wir den öffentlichen Willen kaum mit unseren Entscheidungen abbilden. Es besteht ein Bedarf an der Ausarbeitung von fachpolitischen Vorschlägen, und wir danken Ihnen auch dafür respektvoll. Natürlich sind in den Ministerien viele Mitarbeiter tätig, aber im Grunde genommen werden von den Mitarbeitern Fälle erledigt. Die Anzahl der mit der Entwicklung fachpolitischer Strategien beauftragten Personen kann niemals ausreichen, um sicherzustellen, dass eine Regierung über die intellektuelle Kapazität verfügt, um nicht nur die Tagesgeschäfte zu führen, sondern auch laufend längerfristige Verbesserungspläne zu erarbeiten. Und wir sind auch dankbar für den dritten Punkt, die sachkundige Analyse der Medienverhältnisse.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn wir das alles in einem größeren Zusammenhang betrachten, dann muss ich sagen, dass es nicht nur nützlich ist, dass es solche Institutionen in einem Land gibt und dass sie einer Nation zur Verfügung stehen, sondern dass sie im Falle eines freien Landes, ich meine, wenn ein Land für sich selbst Freiheit will, ganz einfach unumgänglich sind. Es gibt strategische Sektoren, wir verwenden diesen Begriff ziemlich oft in Sätzen, mit denen wir unsere Welt beschreiben, wir verwenden ihn, um den Bankensektor, den Verkehr, die Energie, die Rüstungsindustrie zu beschreiben, aber ich möchte diese Liste jetzt lösen, indem ich sage, dass ich davon überzeugt bin, dass es keine nationale Souveränität gibt, wenn es keine Analyse- und Forschungsunternehmen in nationaler Hand gibt, die politische Entscheidungen vorbereiten. Sie sind mindestens genauso wichtig wie die Banken, die Armee, die Transportmittel oder sogar der Energiesektor. Nationale Souveränität setzt die Fähigkeit voraus, nicht von einem Engländer, einem Deutschen oder einem Amerikaner zu übernehmen und zu lesen, wie die Wirklichkeit von ihm interpretiert wird, sondern ungarische Kapazitäten zu haben, die mit ungarischen Augen und von ungarischen Interessen ausgehend für uns alle und natürlich in erster Linie für die Entscheidungsträger beschreiben, wie die Welt aus der Sicht der ungarischen Interessen aussieht. Wenn man diese Fähigkeit nicht hat, ist es so, als würde man den gegnerischen Kapitän bitten, die eigene Mannschaft vor einem entscheidenden Fußballspiel zusammenzustellen. Man muss in der Lage sein, die Situation zu interpretieren, sein Team zu sehen, man muss verstehen, was der entscheidende Moment in diesem Spiel sein wird, man muss auf jeden Fall eine Strategie bilden, und es muss die eigene Strategie sein, nicht eine Strategie, die von anderen vorgeschlagen wird, um zu versuchen, die Herausforderung, vor der man steht, zu bewältigen oder auf die Herausforderung, vor der man steht, zu reagieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Daher ist es, auch wenn es ein wenig pathetisch klingt, akzeptabel zu sagen, dass wir, wenn wir ein freies und souveränes Ungarn wollen, Nézőpont brauchen, ich gehe sogar noch weiter, denn das ist keine parteipolitische Frage, wir brauchen ungarische Forschungs- und Analyseinstitute wie Nézőpont werden unvergänglich benötigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Schließlich können wir der Frage doch nicht ausweichen, dass es Wahlen geben wird. Obwohl es auch Analysezentren gibt, die die ungarische Öffentlichkeit regelmäßig damit erschrecken wollen, es sei gar nicht sicher, dass es Wahlen geben wird. Da ich nicht erst seit heute in diesem Beruf tätig bin, kann ich mich daran erinnern, dass die erste Schreckensmeldung in dieser Hinsicht noch mit der Amtszeit von Ministerpräsident Péter Boross verbunden war. Es war irgendwann in den Jahren 1993/94, als unsere Lehrer, die uns als junge Lehrer noch unterrichtet hatten und ein besseres Los verdienten – ich nenne aus Respekt vor ihnen jetzt keine Namen – der ungarischen Öffentlichkeit erzählten, es sei die Vorbereitung darauf gewesen, in Ungarn keine Wahlen mehr zu veranstalten, dass der ehemalige Innenminister Ministerpräsident geworden war. Das ist zwar schon lange her, aber verschiedene Versionen davon hört man immer wieder im Vorfeld jeder Wahl. Aber wir alle wissen, dass es Wahlen geben wird, denn Ungarn ist ein freies und demokratisches Land, in dem die Frage, wohin wir gehen, wessen Programm wir umsetzen und mit wem, von den Wählern entschieden werden wird. Es wird also eine Wahl geben.

Was Ágoston Mráz uns gerade gezeigt hat, ist sehr gefährlich. Vor einer Wahl so zu führen, ist also das Gefährlichste, was passieren kann. Im Fußball pflegt man auch zu sagen, dass eine zu frühe 1:0-Führung in einem Spiel aus mehreren Gründen nicht gut ist: Sie stachelt den Gegner an, macht auch Dich übermütig, das Blatt wendet sich und so weiter. Aber wir stehen, liebe Freunde, vor der intellektuellen Herausforderung, dass fünf oder sechs Monate vor den Wahlen die von uns gebildete Regierung, die bürgerliche, christdemokratische Regierung, in dem Kampf, auf dem Weg zum Kampf, den wir die Wahl nennen, mit einem spürbaren Vertrauensvorschuss der Wähler vorne zu liegen scheint. Das bedeutet aller Wahrscheinlichkeit nach, obwohl sich die Dinge in dieser Welt, die wir Politik nennen, innerhalb von ein oder zwei Tagen ändern können. Es genügt, an den jetzigen Fall des Rathauses zu denken, es kann sich also in sehr kurzer Zeit viel ändern. Aber wir müssen immer noch vernünftigerweise davon ausgehen, dass unsere politische Gemeinschaft bei den kommenden Wahlen mit einer besseren Chance antreten wird. Es ist immer einfacher, mit einer besseren Chance zu gewinnen, obwohl es in der ungarischen Wissenschaft der Sportberichterstattung die Tradition gibt, immer wieder von der Last der Führungsposition zu sprechen. So etwas habe ich in unserem Beruf noch nie gesehen. Chancenlosigkeit ist wirklich eine Last. Der Favorit zu sein ist nie eine Last, sondern eine Möglichkeit, eine Arbeit, die berechnet, geplant und erledigt werden kann. Die echte Belastung ist die Chancenlosigkeit, denn dort muss man etwas Bravouröses leisten, um die entstandenen Kraftverhältnisse zu verändern. Vorerst sehe ich aufgrund der derzeitigen Analysen, mit denen wir von den Herren auch eben beehrt worden sind, dass es reicht, wenn wir in den nächsten fünf oder sechs Monaten ohne Bravour, ehrlich, anständig, viele Stunden am Tag und mit Blick auf den Lebensunterhalt der Menschen in erster Linie unsere Arbeit machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Bei den Olympischen Spielen ist der zweite Platz eine Leistung, vor der man den Hut zieht, es gibt dafür eine Silbermedaille, aber in der Politik gibt es keinen zweiten Platz, es gibt keine Silbermedaille, es gibt nur zwei Dinge: entweder Sieg oder Niederlage. Aber ich glaube nicht, dass ich es Ihnen erklären muss, das wird uns das Nézőpont erklären.

Gott segne das Nézőpont-Institut! Vielen Dank fürs Zuhören! Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!