Viktor Orbáns Erklärung nach der Besprechung mit dem österreichischen Bundeskanzler Christian Kern
Budapest, 26. Juli 2016

Ich begrüße Sie recht herzlich! Ich wünsche Ihnen einen guten Tag!

Es besitzt ein gewisses Bukett, dass wir den Bundeskanzler Österreichs im Delegationssaal des ungarischen Parlaments begrüßen dürfen, wo noch in früheren Zeiten die österreichischen und die ungarischen Kommissionen beziehungsweise Delegaten ihre Sitzungen abhielten. Das war die Funktion dieses Saals. Dazu hatte man ihn gebaut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir begrüßen hochachtungsvoll den Herrn Bundeskanzler und können der interessierten Öffentlichkeit Ungarns mitteilen, dass es schon länger her ist, dass wir, dass auch ich persönlich für die Bürger Ungarns mit einer so guten außenpolitischen Nachricht aufwarten konnte wie heute. Denn wir haben eine sehr erfolgreiche Verhandlung hinter uns. Österreich hat in den Herzen der Ungarn immer einen besonderen Platz eingenommen. Auch die Art und Weise, wie über uns gesprochen wird, besitzt ein eigenes sprachliches Inventar und eine eigene Stimmung. Wir wären doch, nach der allgemeinen europäischen Annahme, Schwäger. Zugleich weiß ein jeder auch, dass die historischen, geographischen und wirtschaftlichen Grundlagen des guten Verhältnisses der beiden Länder bestehen. Trotzdem sind im vergangenen Zeitraum in den Beziehungen der beiden Länder die für ein gutes Verhältnis notwendigen politischen Grundlagen geschwächt worden. Und heute haben wir uns mit der Absicht an den Verhandlungstisch gesetzt, um ein Kapitel abzuschließen, und um ein neues Kapitel in der Geschichte der politischen Verbindungen von Österreich und Ungarn zu öffnen. Es ist uns gelungen, dieses Ziel zu erreichen. Ich teile Ihnen mit Freude mit, dass die beiden führenden Politiker der zwei Länder der Ansicht sind, dass die Beziehungen der beiden Staaten und der beiden Völker über den Beziehungen von Parteien stehen. Die Tatsache, dass wir zu jeweils einer anderen Parteienfamilie gehören, wird in Zukunft hinsichtlich der österreichisch-ungarischen Beziehungen keinerlei Nachteil bedeuten, weil die zwischenstaatlichen Beziehungen und jene zwischen unseren Völkern immer über der Frage der Parteien stehen. Deshalb haben wir heute den Versuch unternommen, für die Beziehungen der beiden Länder die möglichst pragmatischsten, praktischsten Grundlagen niederzulegen. Ich möchte die ungarische Öffentlichkeit darüber in Kenntnis setzen, dass Österreich Ungarns zweitwichtigster Handelspartner ist. Sie sind für uns also wichtig. Im Jahre 2015 hat unser Umsatz Zehnmilliarden Euro überstiegen. Und hinsichtlich der Investitionen ist Österreich unser viertwichtigster Partner, Investor in Ungarn. Dies muss man sich so vorstellen, dass dreitausend österreichische Firmen in Ungarn tätig sind und siebzigtausend Arbeitsplätze geschaffen haben. Das bedeutet, wenn man mit vierköpfigen Familien rechnet, dass beinahe dreihundert Tausend ungarische Menschen ihr Brot bei in Ungarn tätigen österreichischen Firmen verdienen. Dies zeigt sehr gut, was für ein wichtiges Land Österreich für Ungarn ist. Dies ist eine feste Grundlage. Hierauf werden wir auch in der Zukunft unsere Zusammenarbeit aufbauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir stimmten darin überein, dass wir im folgenden Zeitraum die Frage der Einführung der Digitalisierungstechniken und der Modernisierung der Wirtschaft als betont wichtige Themen behandeln werden. Ein gesonderter Akzent lag auf der Zusammenarbeit der Eisenbahnen. Die früher begonnene Politik, die neue Grenzübergänge zwischen den beiden Ländern geöffnet hat und über die wir ein internationales Abkommen haben, wird sich fortsetzen, und auch unsere Ergebnisse auf dem Feld der Gleichstellung der beruflichen Befähigungsnachweise betrachten wir als etwas, worauf man aufbauen kann, und was wir in der Zukunft fortsetzen möchten. Ich muss also sagen, dass wir am heutigen Tag über die bereits vorhandenen historischen, wirtschaftlichen und geographischen Grundlagen hinaus auch die für ein neues Kapitel notwendigen politischen Grundlagen gefestigt haben.

Selbstverständlich kam, meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Sprache, dass die ungarische Eximbank einen Kreditrahmen von Fünfhundertmillionen zur Unterstützung der Zusammenarbeit der österreichisch-ungarischen Firmen geboten hat, die Ministerpräsidenten der beiden Länder werden auch die Kontaktaufnahme zwischen den beiden Investitionsagenturen, zwischen der Agentur in Ungarn und Österreich, empfehlen.

Wir haben die Frage der Migration auch angeschnitten, ja sie hat einen ansehnlichen Teil unserer Verhandlungen ausgemacht. Die beiden Länder sind in unterschiedlichen Situationen, hierüber wird sie der Herr Bundeskanzler informieren, ungarischerseits konnte ich sagen, dass Ungarn an der fehlerlosen und wortgetreuen Einhaltung des internationalen Rechts interessiert ist. Was bedeutet, dass wir jeden Migranten, der auf dem Territorium Ungarns das erste Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten hat, wir – entsprechend der durch Ungarn unterzeichneten internationalen Verträge – an der österreichisch-ungarischen Grenze zurücknehmen und sofort weitertransportieren. In Hinblick darauf, dass wir mit solchen Ländern – dies bedeutet die Länder des Westbalkan – Verträge nicht nur über die Tatsache der Rückführung haben, sondern auch über deren technische Ausführung. Wir können also darin Österreich helfen, dass wir jeden Menschen, der auf dem Territorium Ungarns das erste Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten hat und sich heute in Österreich aufhält, zurücktransportieren. Wir übernehmen solche Menschen und transportieren sie dorthin zurück, woher sie gekommen sind. Ich habe dem Herrn Bundeskanzler auch mitgeteilt, dass wir jene Maßnahmen mit Verständnis aufnehmen, die im Interesse des Schutzes der österreichischen Grenze an der ungarisch-österreichischen Grenze durch Österreich ergriffen worden sind, doch schlugen wir vor, zu überdenken, dass die beste Methode des Schutzes der österreichisch-ungarischen Grenze doch wäre, wenn wir die serbisch-ungarische Grenze gemeinsam schützen würden. Ein wichtiger erster Schritt ist dadurch geschehen, dass Österreich zwanzig am Grenzschutz teilnehmende Personen an die serbisch-ungarische Grenze entsendet. Wir haben darum gebeten, dass wir die Möglichkeit dessen untersuchen sollten, ob dies fortgesetzt und um ein Vielfaches erhöht werden könne.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zugleich habe ich den Herrn Bundeskanzler darüber informiert, dass sich heute auf dem Territorium Ungarns niemand mehr aufhalten kann, dies lässt das Strafgesetzbuch nicht zu. Wir haben die österreichisch-ungarische, Verzeihung, die serbisch-ungarische Grenze luftdicht abgeschlossen, man kann sie nicht überqueren, deshalb kann ein illegal, im juristischen Sinne illegal in Ungarn ankommender Mensch gar nicht nach Österreich weitergehen. Deshalb, wenn wir die gegenwärtige Praxis – obwohl dies riesige Summen und Anstrengungen erfordert, weil achttausend unserer Leute unten an der Grenze arbeiten, achttausend Soldaten und Polizisten – wenn wir die gegenwärtige Praxis aufrechterhalten können, dann können wir auch Österreich vor den illegalen Einwanderern an der ungarisch-serbischen Grenze beschützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte mich noch einmal bei dem Herrn Bundeskanzler dafür bedanken, dass er uns mit seinem Besuch beehrt hat, und ich bekräftige es auch hier vor der Öffentlichkeit, auch vor der ungarischen und der österreichischen Öffentlichkeit, dass Ungarn im kommenden Zeitraum alles tun wird, um möglichst der beste Nachbar und Partner von Österreich zu sein.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!