Viktor Orbáns Exklusivinterview in der Sendung „Heute Abend“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders m1
10. November 2020

Tünde Volf-Nagy: Ich begrüße die Zuschauer und ich begrüße Viktor Orbán, Ungarns Ministerpräsidenten.

Guten Abend!

Als wir uns zuletzt im September an gleicher Stelle, in der Bibliothek des Karmeliterklosters unterhielten, haben wir sicherlich vielen Menschen eine Enttäuschung bereitet, die erwartet hatten, es würden damals, Anfang September große dramatische Ankündigungen folgen. Damals gab es 916 neue Erkrankungen an einem Tag, diese Zahl liegt jetzt leider über 4.000 und auch 5.000. Warum ist jetzt die Zeit für dramatische Ankündigungen gekommen?

Das Drama ist keine gute Gattung, es ist besser, wenn man es vermeidet, doch gibt es Momente, in denen die Zeit für eine Entscheidung gekommen ist, und dann muss man sie ohne zu zögern treffen. Wir sind ja Teil einer großen europäischen Region, wir leben nicht allein hier, obwohl wir unter den ersten die Grenzen des Landes geschlossen hatten, aber trotzdem sind wir in Kontakt mit den anderen europäischen Ländern geblieben. Unser Lebensrhythmus weicht nur entsprechend einer bestimmten Bandbreite von dem Leben der anderen ab, im Großen und Ganzen geschieht also auch in Ungarn das, was in den anderen Ländern der EU. Wir sind glücklich dran, denn wir haben ein Labor, es heißt Österreich. Ich beobachte sie immer, stimme mich mit ihnen ab, mit ihrem Kanzler arbeite ich am engsten zusammen, und ich kann sagen, im Großen und Ganzen befindet sich Ungarn jetzt auf dem Niveau, wo sich vor einer Woche Österreich befand, als auch sie die Ausgangssperre einführten. Und wir sind dann noch unter akzeptablen Bedingungen. Die Lage ist nicht einfach, aber verglichen mit – sagen wir – Westeuropa, wo es nicht nur nachts, sondern auch am Tag eine Ausgangssperre gibt, stehen Österreich und Ungarn noch gut da.

Aber wenn Sie schon die benachbarten Länder oder die westeuropäischen Länder erwähnt haben – diese haben bereits vor einigen Tagen, einigen Wochen diese strengeren Maßnahmen eingeführt. Warum haben wir bisher gewartet?

Ungarn, Österreich, Deutschland verfügen in Europa über die meisten Krankenhausbetten, und Ungarn besitzt die meisten Beatmungsgeräte. Sie werden in den kommenden Wochen sehen, wie schwer es ist, unter den Bedingungen einer Ausgangssperre zu leben. Deshalb muss man ständig den Moment suchen, in dem die menschlichen Lebensumstände noch aufrechterhaltbar und die Gesundheit messbar, erhaltbar sind. Wir sehen es im Voraus, was ungefähr geschehen wird. Jetzt kann ich sagen, ich habe auch lange über diese Entscheidung nachgedacht, laut unseren Wissenschaftlern und Analysten besteht – wenn die Dinge auf diese Weise weitergehen – zurzeit eine Chance von etwa fünfzig Prozent, dass das medizinische Versorgungssystem durchhält. Denn Instrumente zum Schutz stehen alle unbegrenzt, so gut wie unbegrenzt zur Verfügung. Die Ärzte sind gut, auch die Krankenschwestern sind hervorragend, aber ihre Zahl ist begrenzt, und sie verrichten vergeblich eine übermenschliche Arbeit, sie sind auch nur Menschen. Heute sagen mir also alle meine Berater, dass wenn die Dinge auf diese Weise ohne irgendwelche Maßnahmen weitergehen, dann sind die Chancen dafür fünfzig Prozent, dass wir in unseren Krankenhäusern die Kranken noch versorgen können, und das ist sehr gering, das ist zu wenig. Man konnte nicht mehr länger warten, diese Entscheidungen mussten getroffen werden.

Als Sie letzte Woche sagten, bis zum Anfang des Dezember würden zehnmal so viele Beatmungsgeräte benötigt wie gegenwärtig, da haben doch die im Gesundheitswesen Arbeitenden aufgehorcht, denn es kann sein, dass es genügend Beatmungsgeräte gibt, aber dass es nicht genügend Fachpfleger und Ärzte gibt, ist sicher.

Ich verfolge die Zahlen, noch einmal: Ich verfolge auch Österreich, wir folgen ihnen mit einer Zeitverschiebung von einer Woche, das ist die Faustregel. Ich sehe, wie viele Betten es dort gibt, und wie viele Beatmungsgeräte dort gebraucht werden. Von Beatmungsgeräten haben wir sogar mehr. Man muss sich das so vorstellen, wenn Sie in ein Krankenhaus gehen, da liegen auf der Intensivstation jene Menschen, die in einem schweren Zustand sind und an die Maschinen angeschlossen worden sind. Und es gibt eine Regel, wie viele Kranke in Friedenszeiten eine Schwester, ein Arzt auf ausreichende Weise versorgen kann. Diese Zahl kann erhöht werden. Sagen wir von vier auf acht, von acht auf 16, und so weiter, und man wird einsehen müssen, was geschieht, wenn die Betten in einem ausreichend großen Raum untergebracht werden, denn es stimmt, man muss nur auf die Maschinen achten, aber ein Mensch kann trotzdem nicht mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Verantwortung zwanzig-dreißig Maschinen beobachten, es gibt also eine Grenze, die wir beachten müssen. Und die Ärzte haben signalisiert, dass es eine Grenze geben wird, ab der sie so viele Kranke nicht mehr verantwortungsvoll versorgen können. So muss man es verstehen, dass es nicht ausreichend Krankenschwestern und Ärzte gibt. Raum haben wir, Betten gibt es, Maschinen sind vorhanden, auch Personal, nur haben wir jetzt mehr Kranke als die Zahl, der sie jene Versorgung zukommen lassen könnten, die – sagen wir – Sie Ihrer Mutter oder Ihrem Vater bieten würden, also eine wahre, ernsthafte, humane Versorgung.

Die Situation ist die, dass sich gegenwärtig sechstausend an Corona Erkrankte im Krankenhaus befinden, das ist sechsmal so viel wie zum Höhepunkt der Coronaviruspandemie im Frühling. Auch die Mitarbeiter im Gesundheitswesen machen sich sorgen, und die Fachleute versehen Sie ja ständig mit Informationen, aber wenn wir – sagen wir – von den Statistiken und dem System absehen, dann könnte – Sie hatten ja früher gesagt, wenn sich diese Tendenz fortsetzt – das Gesundheitssystem sogar zusammenbrechen. Aber wenn wir nicht über das System und die Statistiken reden, sondern über Menschen, Ärzte, was bedeutet dann, was sagen die Fachleute, was bedeutet dann, dass das Gesundheitswesen zusammenbrechen könnte? Dass es keine Betten, keine Ärzte geben wird?

Das bedeutet, dass die Kranken in ihren Betten liegen, und dann wissen wir, für wie viele Kranke wie viele Ärzte, wie viele Krankenschwestern benötigt werden, und wie viele Menschen gebraucht werden, die die manchmal auch sehr schweren Kranken aufzuheben in der Lage sind, also nennen wir sie „Krankentransporteure“. Diese Zahlen kennen wir. Ich sage es noch einmal: So wie die Pandemie sich ausbreitet, besteht eine Chance von fünfzig Prozent, dass wir mit der gegenwärtigen Zahl an Ärzten, Krankenschwestern und Krankentransporteuren die Lage irgendwie managen könnten, doch dafür ist das Risiko zu hoch. Deshalb mussten diese Entscheidungen getroffen werden. Es kann sein, dass wir es aushalten würden, wenn aber nicht, dann gäbe es sehr große Probleme. Deshalb war die Zeit gekommen, die Entscheidung jetzt zu treffen. Man muss sich das tatsächlich so vorstellen – und deshalb stellen wir jetzt auch gerade Medizinstudenten in den Dienst, – dass es weniger Menschen gibt, als für die Kranken im optimalen Fall notwendig sind.

Im September gab es relativ wenige Beschränkungen, vielleicht war es eine der strengsten oder überhaupt die strengste, die Maske tragen zu müssen, und man sagte, wenn ein jeder die Maske vorschriftsmäßig trägt, dann werden keine weiteren Beschränkungen notwendig werden. Jetzt ist dies trotzdem notwendig. Ist das deshalb so, weil viele Menschen die Maske nicht oder nicht so getragen haben, wie sie das hätten machen müssen, oder haben Sie eventuell die Gefahr unterschätzt?

Es gibt einen offensichtlichen Zusammenhang, aber ich würde keine Verantwortung auf die Menschen schieben. Die Menschen leben, wie sie können, und wie es möglich ist. Wenn achtzig Prozent der Menschen die Maske tragen und zu etwa achtzig Prozent sie sie auch bei ihren Kontakten tragen, dann reicht das aus, um das Virus zumindest zu verlangsamen, aber vielleicht sogar zu bremsen. Das funktionierte eine Weile lang. Wenn die Menschen nicht diszipliniert genug gewesen wären und die Maske nicht so getragen hätten, wie sie es taten, dann hätten wir jenen Punkt schneller erreicht, an dem die Maßnahmen bezüglich des Ausgehverbots getroffen werden mussten. Es war also gut, dass sie die Maske getragen haben, aber das hat nur bis zu diesem Punkt ausgereicht. Hier ist das Ende davon, jetzt ist schon etwas anderes notwendig geworden. Im Übrigen werden wir die obligatorische Anwendung der Maske im öffentlichen Raum ab heute Mitternacht vorschreiben, so wie auch die meisten europäischen Länder diesen Weg beschreiten.

Die Ausgehbeschränkung gilt ab abends acht Uhr bis morgens um fünf. Befürchten Sie nicht, dass es gerade deshalb in den späten Nachmittagsstunden – da man ja um acht Uhr schon zu Hause sein muss – um, sagen wir, fünf, sechs, sieben Uhr herum z.B. in den Lebensmittelläden zu Tumulten kommen könnte? Beobachten Sie all das?

Ja, wir befürchten dies, aber wir vertrauen auf die allgemeine Weisheit und die allgemeine Einsicht der Menschen. Sie werden das dort also schon lösen, dass sie voneinander in einer Entfernung stehen, damit sie sich gegenseitig keine Probleme bereiten, und wir vertrauen auch darauf, dass die Verkäufer geschickt genug sein werden, nur soviel Menschen hineinzulassen, wie man in Sicherheit bedienen kann.

Die Pandemie schränkt uns in vielerlei Hinsicht ein, und natürlich schränken uns auch diese Maßnahmen ein, und jedem tut das eine mehr weh als das andere; manchen, dass man nicht ins Theater gehen kann, anderen, dass man nicht Sport treiben oder wenigstens das Fitnesscenter besuchen kann.

Auch die Bibliotheken schließen.

Auch die Bibliotheken schließen und auch die Zoos. Aber auch die Fußballspiele werden ohne Zuschauer stattfinden, und dies geschieht gerade dann, wenn es zu historischen Spielen kommt. Viele haben – wie soll ich es formulieren – mit Argusaugen verfolgt, wie Sie in dieser Frage entscheiden werden.

Wie ein normaler Mensch. Es gibt also die Gesundheit und das Leben, und es gibt das Vergnügen, die beiden Dinge darf man nicht miteinander verwechseln. Es gibt also die Kutsche und es gibt das Pferd, und die Kutsche kann man nicht vor das Pferd einspannen. An erster Stelle steht also das Leben und die Verteidigung. Wir alle gehen gern in die Bibliothek, ins Kino, ins Theater oder zu einem Fußballspiel, aber das ist jetzt vollkommen sekundär.

Sie haben mich am vergangenen Freitag vollkommen überzeugt, als Sie in der Sendung „Guten Morgen Ungarn!“ von Radio Kossuth sagten, man müsse sich deshalb nicht – besonders in den Mittelschulen – auf den Onlineunterricht umstellen und die Teenager in die Shoppingmalls, in Parks entlassen, denn sie werden wenigstens in der Schule kontrolliert, dort beobachtet man, ob sie eine Maske tragen und ob sie den Sicherheitsabstand einhalten. Was hat Sie trotzdem in kurzer Zeit vom Gegenteil überzeugt?

Dass man die Ausgangssperre anordnen kann und muss, denn das bedeutet, dass man nicht bis Mitternacht nach Hause zurückgehen muss, sondern schon abends um acht, und damit verkürzt sich die Zeit, in der unsere Kinder, unsere die Mittelschule besuchenden Kinder nicht in der Schule, sondern irgendwo anders sind, wenn sie nicht gerade zu Hause sind. Wir haben sie ja nicht in die Ferien geschickt, nicht in den Urlaub, sondern es wird digitalen Unterricht geben, an dem werden sie teilnehmen. Und abends um acht muss man schon zu Hause sein. Ich hätte natürlich auch eine Bitte, wo es möglich ist, bringe ich sie vor, an die Eltern adressiert, denn die Kinder im Alter von 14-18 Jahren sind schon recht ernsthafte Menschen, um auch über schwierige Dinge mit ihnen sprechen zu können. Auch ich habe, hatte fünf Kinder, die die Mittelschule besuchen, und man muss jetzt mit ihnen reden, wenn ich das so ausdrücken darf. Man muss also jetzt die Zeit und die Aufmerksamkeit für einige ernsthafte Sätze finden, da ich die Haltung verstehe, nach der die Jugendlichen meinen, sie seien jung und stark und nichts in der Welt könnte sie aufhalten, und es stimmt, wer stark und jung ist kann die Sache mit Leiden oder den Unannehmlichkeiten die – sagen wir – jenen einer Grippe ähneln, auch diese Coronavirus-Pandemie überstehen, aber die Eltern und die Großeltern werden sie nicht überstehen, und wenn sie sie von den Kindern erhalten, dann haben sehr wohl wir das Übel über sie gebracht. Und wenn ein Elternteil oder jemand von den Großeltern aus der Familie verschwindet, wegen des COVID stirbt, dann ist das ein unersetzbarer Verlust. Und ich weiß, dass dieser Satz schwer und tieftraurig und vielleicht sogar niederschmetternd ist, aber das müssen wir jetzt unseren Kindern sagen, dass wir sie bitten, achtsam zu sein, es zählt durchaus, wie sie sich entscheiden. Es zählt, ob sie die Verantwortung dessen spüren und ob sie sich an diese Situation anpassen. Ich bitte sowohl sie als auch ihre Eltern, dass es jetzt klar sein soll, dass es jetzt von uns allen abhängt, ob die Familie ganz bleibt, und ob alle diese COVID-Pandemie überleben.

So wie auch auf den Eltern eine große Verantwortung lastet, so stehen auch jene Lehrer, die nicht am Onlineunterricht teilnehmen, Kindergärtnerinnen, Krippenbetreuerinnen unter einem unglaublichen Druck. Man will sie wöchentlich einem Test unterziehen, einem Schnelltest, über den auch Sie gesagt haben, der sei aber nicht ganz hundertprozentig. Was erwarten Sie davon?

Sprechen wir geradeheraus! Wenn Sie also jetzt einen Schnelltest machen, dann wissen wir – wenn der Test sagt, Sie seien infiziert – mit einer Gewissheit von neunzig Prozent, dass Sie infiziert sind. Wenn dieser Schnelltest aber sagt, Sie seien nicht infiziert, dann liegt die Wahrscheinlichkeit dessen, dass dies stimmt, bei etwa 50-60 Prozent. Und es ist besser, dies geradeheraus und ehrlich auszusprechen. Und selbst wenn es stimmt, dass Sie nicht infiziert sind, wenn wir Sie heute getestet haben, so folgt daraus nicht, dass Sie bis morgen Früh nicht von jemandem anderen angesteckt werden. Man muss also deshalb mit dem Test vorsichtig umgehen. Es gibt riesige Fachdiskussionen darüber. Nicht nur in Ungarn, sondern in ganz Europa, auch innerhalb der WHO, wie, wann, wie viel getestet werden soll. Wir haben ein Nachbarland, die Slowakei, in dem man – begleitet von großen Diskussionen – alle Menschen getestet hat, ich warte darauf, dass auch dort die Schlussfolgerungen gezogen werden, und wir diese dann in unseren Erfahrungsschatz einbauen können. Heute können wir für die in den Kinderkrippen, den Kindergärten und an den Schulen Arbeitenden soviel tun, dass wir ihnen diesen unsicheren, aber doch irgendeinen Anhaltspunkt darstellenden Schnelltest zur Verfügung stellen. Soviel können wir tun, aber was wir tun können, das tun wir für unsere Lehrer und Kindergärtnerinnen.

Die politische Linke empfiehlt ein umfassendes Testen. Was denken Sie darüber?

Dass es eine riesige Diskussion darum gibt. Ich verstehe ihren Standpunkt. Warten wir es ab, was die slowakischen Ergebnisse zeigen werden, und tun wir bis dahin das, was man auf Grundlage des nüchternen Verstandes tun kann. Wir werden im Übrigen nicht nur die Lehrer, sondern alle an den Schulen Arbeitenden testen, und ich erwarte jetzt den Bericht, ich glaube, wir verfügen über so viele Schnelltests, dass wir auch jene wöchentlich einmal testen können, die in den sozialen Einrichtungen arbeiten, und ihnen dadurch zumindest eine gewisse Sicherheit zu geben zu können, wenn es auch keine umfassende Sicherheit ist.

Die Wahrheit ist, dass sehr viele Menschen durch die Verteidigung gegen das Virus erschöpft sind, dabei war die individuelle Verantwortung vielleicht noch niemals derart wichtig, wie gerade in diesen Momenten oder in diesen Tagen. Wir kann man die Menschen dafür gewinnen, zu kooperieren, mitzumachen? Weil durch Strafen oder nur durch Strafen sicher nicht.

Es ist nicht gleichgültig, ob wir durch etwas erschöpft werden oder wir an etwas sterben. Das ist am wichtigsten, das ist doch nicht so schwer zu durchschauen, und das ungarische Volk ist doch ein Kulturvolk, unsere Gemeinschaft ist doch intelligent. Das werden meiner Ansicht nach auch die Erschöpftesten einsehen. Ich vertraue also sehr stark darauf, dass die Menschen die Ernsthaftigkeit dieser Situation verspüren. Unsere bisherigen Erfahrungen – obwohl jeder von uns auch sicher negative Erfahrungen gemacht hat –, meine Erfahrungen insgesamt seit dem März waren eher Erfahrungen, die den Glauben an unser eigenes Land und an unsere Menschen eher verstärkt haben. Ich habe also den Eindruck, dass dies vorangeht, gut vorangeht, und es wird gehen. Ich bin mir darin sicher, dass nachdem die Regeln an sich allein nicht ausreichen, die Strenge der Regierung an sich nicht ausreicht, dazu ist…

Auch die Strafe ist nicht ausreichend…

Und die Strafe vollends nicht. Die Einsicht des Menschen ist notwendig, doch ist sie meiner Ansicht nach da, sie ist vorhanden, sie ist hervorlockbar, das wird gehen. Einmal ist es schon gelungen, warum sollte es ein zweites Mal nicht gelingen?

Doch diese zweite Welle ist vielleicht schwieriger. Sie ist auch einfacher, denn aus den Erfahrungen der ersten haben wir viel gelernt, aber….

Ja, ja…

…erneut das Gleiche aufgreifen, uns erneut den Beschränkungen unterzuordnen…

Natürlich. Aber auch ein Fußballspiel besteht aus zwei Halbzeiten.

Hoffen wir im Übrigen, dass es nur aus zwei besteht…

Man muss auch zur zweiten Halbzeit herauskommen, man weiß also nach der ersten Halbzeit mehr darüber, was einen auf dem Platz in der zweiten Halbzeit erwartet. Das hat also durchaus Vorteile, wenn man auch erschöpfter ist, aber man verfügt über mehr Wissen, es spricht also doch sehr viel für und gegen das Argument, dass wir die zweite Welle leichter werden ertragen können. Doch in einer Sache sehe ich keine Unsicherheit, da habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass der Impfstoff jetzt zeitlich näher liegt als im Frühjahr. Der Impfstoff befindet sich also in einer überschaubaren Entfernung, und die Lösung ist der Impfstoff. Das ist ein Feind, dem wir gegenüber stehen, den man auf irgendeine Weise umbringen muss. Jetzt schränken wir ihn nur ein und verlangsamen seine Verbreitung und gehen ihm aus dem Weg, doch die Lösung ist die, wenn wir es töten. Hierbei kann uns nur der Impfstoff helfen. Wir machen uns geschützt, damit er uns nicht angreifen kann, wir nehmen ihm die Chancen, und das ist nicht weit entfernt. Ich sehe es also so, dass die Situation heute in der Hinsicht leichter ist, da wir solange durchhalten müssen, bis der Impfstoff ankommt. Im Frühling wussten wir nicht, wie lange wir durchhalten müssen, wir haben nur gehofft. Damals entsprang diese Hoffnung der allgemeinen menschlichen Heiterkeit und Natur. Und jetzt besitzt es auch eine rationale Grundlage.

Aber wie lange man warten muss, das ist doch nicht gleichgültig. Sie sagten, der Impfstoff befinde sich bereits derart innerhalb einer überschaubaren Entfernung, dass Sie bereits über Dezember-Januar sprachen. In Westeuropa, z.B. in Deutschland, in der deutschen Presse formuliert man viel vorsichtiger, dort spricht man über den April, den Frühling oder den Spätsommer, und das ist sehr wohl nicht egal. Besonders wenn sich die Pandemie in so einem Maße ausbreitet. Was weiß man dort nicht, aber wir wissen es, oder was wissen wir, was sie dort nicht wissen?

Die Börsenzahlen von heute Morgen verraten aber schon etwas über die Veränderung, denn gestern gab es Ankündigungen über das Vorhandensein von Impfstoff, und dies hat innerhalb von wenigen Augenblicken einen – wenn auch vorübergehenden – Optimismus in das Wirtschaftsleben gebracht. Und dieser Optimismus ist nicht ohne Grund ausgebrochen, denn in den Nachrichten geht es tatsächlich zuverlässig darum, dass sich der Impfstoff in überschaubarer Nähe befindet. Wir sprechen über zwei Zeitpunkte, es wird dieses Ende des Dezember, den Januar geben, wenn wir aus der Europäischen Union mit Sicherheit und vielleicht auch von anderswo eine bestimmte Menge an Impfstoff erhalten. Ich gehe davon aus, dass dies reichen wird, um die Ärzte, die Krankenschwestern, das Krankenhauspersonal, die an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Arbeitenden impfen zu können, und vielleicht auch jene unserer Kranken, die sich in den größten Problemen befinden. Denn dies wird ein in beschränkter Menge vorliegender Impfstoff sein, aber eine bestimmte Menge wird es geben. Jetzt gibt es eine Diskussion darum, ob dies dreißig-, fünfzig-, sechzig- oder hunderttausend sein werden. Dieser wird aus der Europäischen Union beinahe mit vollkommener Sicherheit kommen. Und dann versuche ich mich noch geschickt anzustellen, jeden Tag vergehen mehrere meiner Arbeitsstunden damit, dass ich versuche, auch die chinesischen und russischen und israelischen Möglichkeiten auf dem Tisch zu behalten, auch diese Eisen im Feuer zu halten. Und es wird ein massenhaftes Lieferungsdatum geben. Der massenhafte Lieferungszeitpunkt aus Europa wird nicht früher als im April liegen, aber es könnte von woanders massenhaft Impfstoff kommen und bis dahin tröpfchenweise, aber in kleineren Mengen auch aus Europa. Ich kann also sagen, dass wir um das Ende des Dezember, um den Januar eine teilweise Erleichterung und im April eine Befreiung haben werden.

Gebe es Gott! Das Coronavirus attackiert nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern – Sie haben ja auch die Wirtschaft erwähnt – auch das Gewebe der Wirtschaft. Sie haben zusammen mit den beschränkenden Maßnahmen auch Hilfsmaßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen veröffentlicht oder angekündigt. Das ist für viele Arbeitnehmer, besonders im Bereich des Tourismus, auf dem Markt der Restaurants oder in den Restaurants eine existenzielle Frage. Inwieweit hilft uns dies langfristig?

Langfristig hilft uns das nicht, aber die Ausgangssperre und die Beschränkungen gelten jetzt für einen Monat. In zwei Wochen werde ich Ihnen darüber berichten können, welche Ergebnisse die Maßnahmen, die Ausgangssperre und alles, was damit in Verbindung steht, erbracht haben. Und wenn sie gute Ergebnisse erbringen, und warum sollten wir nicht darauf vertrauen, dann können wir um Weihnachten wieder frei sein. Ich beobachte, wie die Österreicher dann nacheinander diese Maßnahmen treffen werden, aber wahrscheinlich werden auch wir ihnen folgen können. Wir sprechen jetzt also darüber, dass die Hotels, die Restaurants, die sich mit Freizeitsport beschäftigenden und die eine Freizeitbeschäftigung ausübenden Institutionen für dreißig Tage keinerlei Einkünfte haben werden. Auch unsere Hilfe gilt für diese dreißig Tage. Wenn wir das hinter uns haben, dann kommt die Phase des Neustarts der Wirtschaft. Ich habe mit dem Leiter der Wirtschafts- und Industriekammer lange Gespräche geführt, ich habe schon mehrere gute Vorschläge erhalten, ich werde diese der Regierung vorstellen. Wir werden auch noch neue Vorschläge erhalten, meiner Ansicht nach, und nach dreißig Tagen werden wir bereits allgemeine, also nicht nur die am meisten leidenden Zweige, sondern alle Wirtschaftszweige unterstützende weitere Maßnahmen treffen können, so wie wir im Übrigen auch im Frühjahr zum Ende der damaligen ersten Welle diese Maßnahmen rechtzeitig ergriffen hatten. Auch jetzt geht es darum, man muss die Maßnahmen also weder schnell noch langsam, weder früh noch spät, sondern im richtigen Moment treffen. Das trifft auch auf das Gesundheitswesen und auch auf die Wirtschaft zu. Der Aktionsplan ist im Entstehen begriffen, der allen helfen wird. Jetzt können wir für dreißig Tage dem Tourismus, den Hotels, den Betreibern der Freizeitzentren helfen, und in einem Monat werden wir bereits allen helfen können.

Ja, im September haben wir darüber gesprochen, dass die Regierung auf irgendeine Weise zwischen der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit, also der Wirtschaft des Landes wird balancieren müssen. Im September hat sich die Bilanz vielleicht ein bisschen in die Richtung der Wirtschaft gedreht, wahrscheinlich hat darunter das Gesundheitswesen gelitten, jetzt ist das Gesundheitswesen an der Reihe, befürchten wir nicht, dass dies wirtschaftliche, schwere, langfristige wirtschaftliche Folgen haben wird?

Das ist eine ziemlich beliebte Herangehensweise und es ist auch verführerisch, die Lage auf diese Weise zu beschreiben, aber ich sehe es ganz anders. Ich betrachte das also als eine vereinfachende Herangehensweise, also ob entweder Wirtschaft oder Gesundheit. Es geht nicht darum. Denn wir müssen nicht Teilgebiete regulieren, nicht die Wirtschaft und die Gesundheit, sondern das Leben, das Ganze, so wie es in einem existiert. Die Wirtschaft und die Gesundheit gehören zusammen, denn man muss auch leben, man muss auch überleben, wenn wir krank sind, müssen wir auch gesunden, und dabei müssen wir unsere Familie ernähren und den Kindern zu essen geben, das gehört zusammen. Ich möchte nicht die Details regulieren, sondern den Menschen eine Hilfe geben, damit sie das Leben leben können, das sie sich wünschen, und das gehört zusammen. Wir wägen also nicht ab, ob das eine oder das andere, sondern wir versuchen das ganze irgendwie zu unterstützen. Deshalb kommt es z.B. vor, dass wir die Mittelschulen schließen, aber die Volksschulen will ich, solange dies möglich ist, nicht schließen, denn wenn wir diese schließen, dann müssen die Eltern sicherlich zu Hause bleiben, ihre Arbeitszeiten ändern sich, wenn überhaupt ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt, und es kommen die Probleme. Doch geht es hier nicht um Wirtschaft gegen Gesundheit, sondern es geht um Sie, um die ganzen Menschen, um uns alle, so wie wir sind, so müssen wir überleben. Wir sollen eine Anstellung haben, wir sollen auch Arbeit haben, ebenso auch Einnahmen und auch Geld, wir sollen Perspektiven für die Zukunft haben, unser Leben soll uns erhalten bleiben, und wir sollen gesund sein: Das muss gemeinsam geschehen.

Sie sind gerade aus dem Parlament gekommen, wo für die Regierung die für 90 Tage gültige außerordentliche Ermächtigung angenommen worden ist. Kann man jetzt damit rechnen, dass jetzt die westeuropäische Presse erneut – wie im Frühling – schreiben wird, dass das ungarische Parlament geschlossen sei?

Meiner Ansicht nach kennen auch Sie die Antwort auf diese Frage, nicht wahr?

Ja. Die Antwort heißt “ja”.

Sie haben ziemlich viel als Journalistin im Ausland gearbeitet, und sie haben gesehen, dass in Ungarn sich keine schlimmen Dinge ereignen müssen, damit man Schlechtes über uns verbreitet. Dafür gibt es eine Maschinerie, einen Mechanismus, dies führt aber sehr weit weg, seit wie langer Zeit dort die Brunnen vergiftet werden, wenn es um Ungarn geht. Unsere Geschichte ist lang und stürmisch, wir wissen, was geschieht, wir können also sicher sein, dass obwohl in den kommenden Tagen das ungarische Parlament über die verschiedenen Gesetze dutzendfach, ja auch über eine Verfassungsänderung debattieren wird und obwohl es offensichtlich ist, dass das Parlament arbeitet, werden sie im Westen vielerorts behaupten, das Parlament würde nicht arbeiten, die Diktatur sei ausgebrochen, man könne Ungarn vergessen. Aber Sie kennen das ja. Das ist ein Netzwerk. Es gibt Stimmen, denen die gegenwärtige ungarische Regierung nicht gefällt, das ist eine souveräne Regierung, so haben sich viele dieses Land ausersehen, das ist in schönes Land, es besitzt auch wirtschaftliche Möglichkeiten, es hat auch Geld, viele würden es gerne in die eigene Tasche tun, viele würden es den Ungarn wegnehmen. Ich kann Ihnen auch eine Reihe von Ländern nennen, die sich im Laufe der Geschichte daran versucht haben. Jetzt leben wir in so einem globalen Zeitalter, jetzt verrichten diese gleichen Absahnaktionen große, nicht nur an ein Land festmachbare Netzwerke, dieses Netz existiert. Sie wissen das meiner Ansicht nach auch, jedes Kleinkind weiß, dass im Mittelpunkt davon George Soros zu finden ist, er ist die Spinne, er flicht dieses Netz, und versucht das abzusahnen, wofür die Ungarn gearbeitet haben, dies war bisher so, dies ist auch jetzt so. Sie werden daran arbeiten, eine Regierung in Ungarn an die Macht zu helfen, die sie bedient. Die gegenwärtige Regierung ist nicht so. Sie macht, was getan werden muss.

D.h. wir werden dann dementieren, so wie wir das auch im Frühling getan haben?

Wir leisten Widerstand.

Wenn wir die europäischen Maßnahmen zum Seuchenschutz betrachten, dann kann man beobachten, dass nicht alles vom Geld abhängt, wenn es um den Umgang mit der Seuche geht, und da ist das Schweizer Beispiel, wo auch im Weltmaßstab gesehen das Gesundheitswesen sehr stark, die Zahl der in den Krankenhäusern zur Verfügung stehenden Betten gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hoch ist. Und das reicht noch immer nicht aus, oder ist zum erfolgreichen Umgang mit der Pandemie zu wenig. Wovon hängt es Ihrer Ansicht nach ab, ob ein Land sich erfolgreich verteidigt oder nicht?

Das ist tatsächlich so. Ich sehe mir hier die europäischen Statistiken an, aber obwohl ich das Jonglieren mit Zahlen nicht mag, sehe ich mir immer zwei Zahlen an: Was realistisch gezählt die Zahlen berechnet für eine Million Menschen an Infektionen anzeigen, dies beträgt im Fall von Ungarn 11.745 Menschen, und der EU-Durchschnitt liegt bei 18.188. Hinsichtlich der Todesfälle liegt die Zahl in Ungarn bei 255, der europäische Durchschnitt beträgt 437. In diesem Kontext muss man Ungarn einordnen, wir sind ungefähr hier. Jetzt ist die Schweiz natürlich kein Mitglied der Europäischen Union, aber eine ernsthafte Warnung dahingehend, dass das Geld nicht alles ist. Doch wir wissen dies seit dem die Burg von Erlau gegen die Türken verteidigenden Burgkapitän Dobó; István Dobó sagte, die Kraft der Mauern steckt in der Seele der Verteidiger. Es kann also sein, dass sie reicher sind und über bessere Maschinen verfügen, aber wir haben sehr gute Ärzte und Krankenschwestern, und die Qualität und die Kraft und die Leistung kommen im Gesundheitswesen aus der Seele, das wissen wir alle. Ungarn besitzt also gute Gründe, um auf sein Gesundheitssystem und die in ihm arbeitenden Menschen stolz zu sein. Auch dann, wenn wir im Übrigen ärmer sind als, sagen wir, die Schweiz, und unsere Zahlen sind nicht zufällig besser. Ich glaube also daran, dass in einem Land das Zusammengehörigkeitsgefühl zählt, denn so wie unsere Ärzte für uns arbeiten – denn wofür arbeiten sie denn; natürlich erhalten sie ein Gehalt, doch wäre das zu wenig, damit sie so arbeiten, wie sie es tun –, sie arbeiten so, weil auch sie ungarische Menschen sind und auch wir sind es, und sie wollen uns heilen.

Und wahrscheinlich auch die persönliche Übernahme von Verantwortung.

Doch ich sehe es im ersteren, wir sind Ungarn, wir verfügen also über ein sehr starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, wir wollen einander helfen, nicht wahr? Meiner Ansicht nach ist das die Erklärung. Und die Ungarn halten zusammen. Wir sagen natürlich das Gegenteil dessen, wir würden nicht zusammenhalten, doch wenn es ein Problem gibt, schauen Sie nur, wir halten im Gesundheitswesen, bei der Migration, beim Hochwasser zusammen, auch die Familien halten zusammen. Das ist ein viel besseres Land als wir es leichtfertig über uns zu behaupten pflegen. Und meiner Ansicht nach wird diese Qualität, die Qualität des Zusammenhaltes hinter den Zahlen unseren Erfolg garantieren, wenn wir das ganze hinter uns haben werden, denn am Ende werden wir es hinter uns haben und wir werden siegen.

Vielen Dank!