Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” [„Jó reggelt, Magyarország!”] von Radio Kossuth
Budapest, 28. September 2018

Katalin Nagy: – In New York wird diese Woche die 73. Sitzungsperiode der UNO abgehalten, und Beobachter sagen, wir seien ungefähr noch an der selben Stelle, wie bei der letzten Sitzung, der 72. Denn die UNO arbeitet auch weiterhin an der Legalisierung der Migration, und hat hierin kooperierende Partner in der Europäischen Kommission sowie der Europäischen Union gefunden. Im Studio begrüße ich Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Wie sehen Sie das? Gibt es tatsächlich keinen Fortschritt auf diesem Gebiet?

– Ich wünsche einen guten Morgen! Der September ist so ein Monat, in dem die Außenminister und ab und zu auch die Ministerpräsidenten sich in New York versammeln. In bestimmter Hinsicht ist dies auch ein Moment der Wahrheit, denn dort muss man sprechen, und parallel zur Generalversammlung werden auch, nennen wir es so, Fachkonferenzen durchgeführt. Wir pflegen in Ungarn dem nicht die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen, in der Welt ist dies anders; die Welt blickt in solchen Momenten auf Amerika beziehungsweise auf die UNO und New York. Die Wahrheit ist, dass auch ich lieber den Außenminister dorthin zu entsenden pflege, denn ich gehöre zu jenen, die dann irgendwohin gehen, wenn sie das Gefühl haben, dort etwas Konkretes verrichten zu müssen. Wenn man aber hingehen muss, und etwas vertreten, dann sind ja schließlich die Minister dafür da, man hat ja zu Hause auch wichtigere Dinge zu erledigen, pflegen wir zu denken.

– Ist dann also diese UNO-Generalversammlung nicht eine nutzlose Sache, wenn dort keine wichtigen Dinge geschehen?

– Die Wahrheit ist aber, dass wir hierin nicht ganz Recht haben, also auch wir sollten die Generalversammlung und die im Rahmen der sich an sie anschließenden Veranstaltungen gesagten Dinge höher schätzen, besonders in letzter Zeit, denn jetzt werden dort Dinge gesagt, die auch mich aufhorchen lassen. Im Allgemeinen pflegt – anders als im früheren Zeitraum – von den Dingen, die auf der UNO-Generalversammlung gesagt werden, irgendetwas auch im folgenden Jahr in der Weltpolitik verwirklicht zu werden. Jetzt habe auch ich zwei Reden besonders verfolgt. Ich habe zwei Reden analysiert und diese haben wir mit unseren Mitarbeitern durchgearbeitet, die eine davon war die Rede des Kommissars für Flüchtlingsangelegenheiten, für Migration der Europäischen Union, der ein Grieche ist, und die Rede des amerikanischen Präsidenten. Das sind zwei Reden, die man als das kommende Jahr bestimmend bezeichnen kann, ja es sind mehr als nur Reden, es sind grundsätzliche Absichtserklärungen abgegeben worden. In der Angelegenheit der Migration ist die UNO kein Terrain, das für uns günstig wäre, denn in der Welt sind jene Länder in der Überzahl, die Migranten aussenden, und, nicht wahr, auf der Generalversammlung der UNO sind alle da, also bildet sich dieses Verhältnis dort ab, und wir, die wir die europäischen Eingeborenen sind, befinden uns dementsprechend in der Minderheit. Es ist keine bequeme Sache, gegen die große Mehrheit zu sprechen und ihr gegenüber einen Standpunkt zu vertreten, obwohl man sich nach einer Weile auch daran gewöhnt, auch dies ist ein Teil der Arbeit. Jedoch kenne ich nur sehr wenige afrikanische Länder – obwohl es solche gibt –, die die Migration als eine Sache betrachten, die auch für sie ein Übel darstellt, denn sie verlieren einen Teil ihrer mobilsten, mutigsten, unternehmungsbereitesten, das meiste Risiko auf sich zu nehmen fähigen und bereiten jungen Generation, und es gibt Länder, die dies eher als einen Verlust ansehen, und nicht als Erleichterung. Und es gibt Länder, die auf diese Weise ihren Bevölkerungsüberschuss loswerden möchten, ja sie hegen auch die Hoffnung, dass wenn diese Menschen hier, in Europa, eventuell Arbeit finden, oder wenn auch nicht diese, aber eine Sozialhilfe erhalten, denn im Westen wird diese an die Migranten verteilt, dann werden sie einen Teil dessen nach Hause schicken, und das ist für die zu Hause Gebliebenen gut und auch für das aussendende Land gut. Es ist also nicht einfach, in der UNO den ungarischen Standpunkt aufrecht, ehrlich und offen zu vertreten. Zum Glück stellt dies für unseren Außenminister kein Problem dar, er ist auch entgegen einer großen Masse in der Lage, für sein Recht bzw. für das Recht der Ungarn zu kämpfen. Nun, was die Wortmeldung des Griechen, also des Kommissars der Europäischen Union in der UNO angeht, so empöre ich mich nicht einmal mehr darüber, man verliert also langsam die eigene Sensibilität, obwohl wir uns ansonsten empören müssten. Dieser brave Mann, der der Kommissar ist, ist ja letztlich unser Angestellter, wir bezahlen ihn, es wäre also seine Aufgabe als Mitglied der Europäischen Kommission, uns zu vertreten. Und wenn er nicht in der Lage ist, alle Mitgliedsstaaten zu vertreten, dann soll er sich dessen enthalten, im Namen der Europäischen Union eine Meinung zu deklarieren, denn dies wirft ein schwerwiegendes Demokratieproblem auf. Dieser brave Mann ist soweit gegangen, und hat gesagt, die Migration sei eine gute Sache, die Migration müsste fortgesetzt werden, ein Ansiedlungsprogramm müsste vollstreckt werden, Europa arbeite daran, und die EU möchte unbedingt an dem Migrationspaket der UNO teilnehmen, das gerade die Umsiedlungen von einem Teil der Erde in die andere, das heißt die Migration unterstützt. Er hat von niemandem hierzu die Ermächtigung erhalten. In der Europäischen Union ist dies eine umstrittene Frage, nicht nur die Ungarn, der Großteil der Mitteleuropäer, nicht nur die V4-Staaten, aber auch die Italiener oder gerade auch die Österreicher, ja auch die Bayern sind dagegen. Unter solchen Umständen stellt es, wenn ein von uns bezahlter Amtsinhaber nach New York fährt und dort einen Standpunkt vertritt, der zu dem Standpunkt eines Teils der Mitgliedsstaaten, also eines Teils der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union diametral entgegengesetzt ist, ein Demokratieproblem dar, und es ist kein Zufall, dass wir hier auf dem Kontinent viele sind, die die Wahlen zum Europäischen Parlament im kommenden Mai erwarten, damit wir solche Menschen endlich wegschicken können.

– Na, aber er macht das gleiche, wie es Frau Mogherini im Frühjahr getan hat. Auch sie behauptete, die Europäische Union hätte einen einheitlichen Standpunkt, und auch damals meldete sich Péter Szijjártó zu Wort und teilte mit, dass dem nicht so sei.

– Auch der Standpunkt eines Landes zählt, denn auch Ungarn ist ja ein voll berechtigtes Mitglied der Europäischen Union, doch seitdem hat sich herausgestellt, dass auch andere eine ähnliche Meinung besitzen, also konnte die arme Frau Mogherini, die – so hoffen wir – im Mai ebenfalls gehen wird –, noch die Meinung des einen einsamen Ungarn außer Acht lassen. Seitdem ist viel Wasser die Donau hinuntergeflossen, und es hat sich herausgestellt, dass Ungarn mit seinem Standpunkt kein einsames Land ist, sondern eine immer steigende Zahl von Ländern vertritt den gleichen Standpunkt, demzufolge muss sich ab jetzt jeder europäischer Beamter dessen enthalten, in dieser Frage auf die Weise Stellung zu nehmen, wie dies der griechische Kommissar jetzt getan hat.

– Sie haben dahingehend formuliert, dass sie die Wahlen zum Europäischen Parlament erwarten. Dies bedeutet auch, dass sie jene rufschädigenden Artikel, die in den sozialen Netzwerken erscheinenden Anzeigen erwarten, mit denen die auf Seiten der Einwanderung stehende Opposition begonnen hat?

– Schauen Sie, auch wir bleiben niemandem etwas schuldig. Wir sollten uns also nicht bemitleiden lassen, Ungarn hat heute eine Regierung, die – offensichtlich weil wir die große Mehrheit der Meinung der Menschen hinter uns wissen, die Meinung der Mehrheit der Menschen, und wir diese Meinung auch mehrfach, zur Volksabstimmung, bei Parlamentswahlen, bei Konsultationen haben kennenlernen können, und es hat sich herausgestellt, dass diese kein am Küchentisch, im Laufe eines Familiengesprächs vorgetragener Salonstandpunkt, sondern ein aus dem Bauch heraus und von Herzen kommender ungarischer Standpunkt, ein tatsächliche Ängste vor der Migration widerspiegelnder ungarischer Widerstand ist, und wenn solch eine eindeutige öffentliche Meinung sich in einem Land herausbildet, dann darf die Regierung ihr nichts schuldig bleiben, wir dürfen uns also nicht erschrecken. Es gibt europäische Länder – ich benenne sie nicht –, in denen derartige öffentliche Verhältnisse bestehen, Koalitionsregierungen, unsichere politische Situation, das vollkommene Übergewicht der liberalen Presse, wo die Politiker sich nicht wirklich trauen, die Meinung der Menschen zu vertreten, sondern vorsichtig widersprechen. Dies ist für uns nicht charakteristisch, und wenn man uns angreift, dann kann sich ein jeder sicher sein, dass wir mit dem entsprechenden Gewicht antworten werden, nicht nur in unserem eigenen Interesse, obwohl auch wir nur Menschen sind, nicht nur im Interesse unserer eigenen Ehre, unserer persönlichen Ehre, obwohl auch dies wichtig ist, sondern im Interesse des Landes. Man muss also klarmachen, dass wenn jemand zuschlägt, dass es dann aus dem Wald so herausschallen wird, wie zuvor in den Wald hineingerufen worden war. Wir greifen niemanden an, wir möchten niemandem etwas aufzwingen, wir sagen über niemanden etwas Schlechtes, wir lästern über niemanden, wir kritisieren niemanden überflüssigerweise, wir wollen niemandem vorschreiben, was er machen soll, wie er leben soll, wie er entscheiden soll, jedoch wenn man dies uns gegenüber machen will, dann werden wir immer unsere Unabhängigkeit, unsere eigene Lebensform, die Lebensauffassung der ungarischen Menschen immer verteidigen. Die Situation ist also die, um auf Ihre Frage zurückzukommen, dass wir niemandem etwas schuldig zu bleiben pflegen. Deshalb möchte ich nicht mit der Stimme des Winselns und des Jammerns über die Wahlkampagne für das Europäische Parlament sprechen, sondern lieber männlich. Jeder Wahlkampf ist ein Gefecht, meine Frau sagt auch immer zu mir, und ich treffe auch viele Menschen, besonders Frauen, die mir immer sagen, wichtig sei, dass es Ruhe und Frieden und Sicherheit gibt, und wie Recht sie haben, jedoch ist es manchmal im Interesse der Ruhe, des Friedens und der Sicherheit notwendig, dass wir unseren eigenen Standpunkt verteidigen können. Auch ich möchte, dass in der Frage der Einwanderung endlich in der Europäischen Union eine Entscheidung getroffen wird, wir könnten diese Angelegenheit abschließen, ich könnte den ungarischen Frauen und der sich interessierenden öffentlichen Meinung mitteilen, dass ab jetzt keinerlei Kampf mehr notwendig sei, da alles geschützt ist, jetzt muss man nur noch schön leben und arbeiten, doch vorerst ist diese Schlacht, diese Schlacht zwischen den auf Seiten der Einwanderung stehenden europäischen Abgeordneten und den die Einwanderung ablehnenden europäischen Abgeordneten noch nicht entschieden. Wir müssen durchhalten, dieses Match müssen wir zu Ende bringen, und im Mai müssen wir die europäische Politik verändern. Heute sind sowohl im Europäischen Parlament als auch in der Europäischen Kommission die die Einwanderung befürwortenden Menschen in der überwiegenden Mehrheit. Sie pflegen wir als europäische Elite zu bezeichnen, die zugleich auch ein ernsthaftes Demokratieproblem darstellen, denn sie vertreten etwas, was die europäischen Menschen im Übrigen nicht wollen. Ich möchte noch eine meiner Beobachtungen mit Ihnen teilen, wenn Sie erlauben. Ich kenne auch Länder, in denen ich sehe, dass die führenden Politiker irgendwie versuchen von ihrem früheren, auf Seiten der Migranten stehenden Standpunkt in die Gewässer einer die Migration zu beschränken versuchenden Regierungspolitik hinüberzumanövrieren. Das ist eine schöne Sache, doch löst das nicht ihre politischen Probleme, weil die Wahrheit doch ist, dass die europäischen Menschen einen Satz aus dem Munde ihrer führenden Politiker erwarten. Sie erwarten, dass seinerseits jeder reinen Wein einschenken soll, und eindeutig aussprechen, ob wir denn nun die Migration für richtig, eine mit Schwierigkeiten verbundene, jedoch gute Sache halten, oder ob die Migration eine schlechte Sache sei. Und wer in dieser Angelegenheit weder A noch B sagen kann, der verliert das Vertrauen der Menschen, oder kann dies sich keinesfalls verdienen. Viele Länder, die ihre Migrationspolitik verändern wollen, tun dies unter Berufung auf technische Argumente und sie sprechen jenen entscheidenden Satz nicht aus, dass die Migration eine schlechte Sache ist, dass die Migration Europa bedroht, dass die Migration in Wirklichkeit Bevölkerungstausch bedeutet, immer weniger europäische Menschen werden geboren, und immer mehr Fremde werden hierher gebracht. Das wird unsere Kultur verändern, und in ein-zwei Jahren werden wir unser eigenes Dorf, unsere eigene Stadt, unser eigenes Land und unseren eigenen Kontinent nicht mehr wiedererkennen. Also das eindeutig auszusprechen, dass die Migration eine schlechte Sache ist, weshalb wir auf der Seite der Menschen stehen, und wir gemeinsam mit ihnen diese Sache lösen wollen; wer diesen Satz nicht ausspricht, der versucht vergebens die Migration einzuschränken, er kann das Vertrauen der Menschen nicht gewinnen, deshalb wächst das Misstrauen, und die Menschen haben das Gefühl, dass ihre führenden Politiker entgegen des Volkswillens etwas anderes machen, ihnen etwas aufzwingen wollen. Hinzu kommt noch, dass die Mitteleuropäer darüber hinaus auch noch spüren, dass während wir sie nicht kritisieren, sie uns gegenüber intolerant sind und uns ihren Standpunkt aufzwingen wollen, während sie den unseren nicht akzeptieren. Hieraus entsteht jene Spannung in der europäischen Politik, die heute ein jeder wahrnimmt, und ein jeder wartet schon darauf, dass diese Diskussion endlich auf irgendeine Weise entschieden werden soll, schließen wir sie ab, und dann soll es so oder anderswie sein, und deshalb erscheinen heute die europäischen Wahlen im kommenden Mai für einen jeden als spannender und wichtiger als die früheren.

– Ist es wichtig, dass Donald Trump, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, darüber gesprochen hat, dass er kein Freund irgendeines globalen Regierens, irgendeiner globalen Macht sei? Er billigt allen zu, dass jede Nation so leben soll, wie sie es möchte, doch erwartet er, dass man dies auch den Vereinigten Staaten von Amerika zugesteht. Er macht also auf die Souveränität der Nationen aufmerksam, im Gegensatz zu dem, was Herr Avramopoulos gesagt hatte, dass die Europäische Union in dieser Frage einen einheitlichen Standpunkt habe.

– Schauen Sie, wir müssen dem amerikanischen Präsidenten den Respekt zollen, denn er ist der durch das Volk der Vereinigten Staaten gewählte Präsident, und wir können unseren Respekt einem Volk gegenüber auf die Weise ausdrücken, indem wir – da wir ja nicht jedem Amerikaner persönlich begegnen können –, unseren Respekt vor ihren gewählten Führern zum Ausdruck bringen. Deshalb habe ich nie die führenden Politiker der Vereinigten Staaten kritisiert, habe es aber immer gesagt, wenn sie eine Politik vorbereiteten oder verfolgten, die für Ungarn unvorteilhaft war. Was Herrn Präsidenten Trump angeht, der langsam über seine eigene Person hinausgewachsen ist, denn in der Welt, wie wir lesen, ist er bereits als eine Erscheinung, als eine Ikone präsent, er vertritt etwas, das viel größer ist als seine Person. Wenn wir also diese Erscheinung untersuchen, dann können wir sehen oder daran denken, auf welch unterschiedliche Weise Amerika, die Vereinigten Staaten, und der Rest der Welt die vorausgegangenen ein-zwei Jahrzehnte erlebt haben. Denn wie haben wir sie erlebt? Wir haben sie so erlebt, dass die Vereinigten Staaten denken, sie würden den Stein der Weisen des richtigen Lebens in der Tasche haben, sie wüssten, was gut sei, was moralisch sei, was gerecht sei und wie die Welt sein müsste. Wir hatten das Gefühl, sie wollten dies – natürlich nicht im Widerspruch zu den amerikanischen Interessen – der Welt aufzwingen, zum Beispiel auch Ungarn. Mit Frau Außenministerin Clinton hatte ich soviel zu leiden, dass ich Ihnen das nicht einmal erzählen kann, doch haben wir nie daran gedacht, wie dies wohl die Amerikaner erleben. Jetzt höre ich dem Präsidenten zu, und ich sehe, dass die Amerikaner die vergangenen Jahrzehnte auf die Weise erlebt haben, dass sie eine die Welt verbessernde Rolle übernommen hatten, die in Wirklichkeit ihren eigenen nationalen Interessen entgegengesetzt ist. Präsident Trump spricht hierüber, dass es nicht im Interesse Amerikas ist, er spricht nicht darüber, dass es nicht richtig sei, solche Sachen sagt er auch, aber am wichtigsten ist, dass eine Weltpolitik, eine amerikanische Außenpolitik, die der Welt das amerikanische Leben aufzwingen will, nicht im Interesse Amerikas steht, denn dadurch wird auch Amerika geschwächt. Es darf solch eine Rolle nicht übernehmen, sondern muss sich auf die Basis seiner eigenen nationalen Interessen stellen. Wir haben nie daran gedacht, dass eine der Welt aufgezwungene amerikanische Annäherung auch so gedeutet werden könnte, dass sie im Widerspruch zu den amerikanischen Interessen steht, der amerikanische Präsident macht dies aber. Der Herr Präsident hat sehr wichtige Ankündigungen gemacht. Schon seit Jahren rüttelt er am Rahmen der bestehenden Weltordnung, in deren Mittelpunkt letztlich jenes amerikanische unerwünschte, die Welt erlösen wollende Denken und die dazugehörige Politik stand, dass sie dann jedem Menschen eine schöne und gerechte Zukunft sowie Welt geben werden, und wir nur eine Sache zu tun haben, nämlich das zu kopieren, wie sie leben. Jetzt wurde das Ende dieser Politik angekündigt. Die Wahl des amerikanischen Präsidenten hat dies schon vorausprojiziert, jedoch derart eindeutig und klar ist dies als eine nicht an Amerika, sondern an die Welt gerichtete Botschaft vielleicht jetzt das erste Mal ausgesprochen worden. Nicht zufällig mag es gestern Abend in vielen Teilen der Welt starke tektonische Bewegungen gegeben haben, denn in vielen Ländern ist den führenden Politikern und den Bürgern ein großer Stein vom Herzen gefallen. Man muss auf Amerika nicht so blicken, wie wir das in den vergangenen ein-zwei Jahrzehnten getan haben, und man muss sich Amerika und seinen unerwünschten Versuchen der kulturellen Beeinflussung gegenüber nicht verteidigen, sondern wir können versuchen, auf der Grundlage von Werten ein partnerschaftliches Verhältnis zu etablieren.

– Schauen wir auf das heimatliche Interesse! Es hieß, sie würden eine Konsultation starten, eine Familienkonsultation über die wichtigsten Fragen der Demographie. Sind die Fragen schon zusammengestellt, die den Wählern gestellt werden sollen?

– Gerade heute Nachmittag möchte ich die Liste der Fragen finalisieren. Daran arbeite ich schon seit Monaten, einmal habe ich – vielleicht gerade auf eine Ihrer Fragen antwortend – gesagt, es sei eine der wichtigsten Aufgaben in diesem Jahr, dass wir, dass ich eine Vereinbarung mit den ungarischen Frauen, den ungarischen Damen darüber treffen kann, wie wir mit dem Bevölkerungsproblem Ungarns umgehen könnten. Seitdem haben wir die Fragen in sehr vielfältiger Form formuliert, wir haben Forschungen durchgeführt, haben diese Fragen kontrolliert, denn es besitzt eine eigene politische Methodik, wie man die Fragen stellen muss, damit nicht nur wir, die wir sie stellen, sie verstehen, sondern auch jene dasselbe darunter verstehen, die sie lesen, und aus diesem Grunde versuchen wir die Fragen zu vereinfachen, aber vielleicht komme ich heute Nachmittag mit dieser Arbeit zu einem Ende. Ich bin auch weiterhin entschlossen, das sage ich ganz ehrlich, die Angelegenheit der Demographie zur wichtigsten Frage dieser vier Jahre zu machen, für die ich von den Wählern eine Ermächtigung erhalten habe. Dieses Wort „Demographie“ ist kein schönes Wort, auch der Begriff „Bevölkerung“ ist nicht sehr herzerwärmend, denn schließlich geht es hier um Kinder und darum, wie die Jugendlichen ihre Zukunft planen. In der Europäischen Union lösen sie dieses Problem bekanntlich einfach, denn sie sagen, die Demographie ist die Wissenschaft der Zahlen, es fehlen Menschen.

– Rufen wir sie herein.

– Es sollen auch von anderswo Menschen kommen, dann werden wir einen Europäer gegen einen Afrikaner eintauschen, wenn ein Europäer, ein Schwede, ein Deutscher oder eben ein Österreicher fehlt, dann holen wir an seiner Stelle jemanden aus Asien, denn wichtig ist, dass die Zahlen stimmen. Nun, die ungarischen Menschen denken hierüber anders. Das ungarische Volk ist eine Gemeinschaft, die zum einen über ein starkes Nationalgefühl, ein starkes Gemeinschaftsbewusstsein und zum anderen starke familiäre Gefühle besitzt. Für uns besteht die Demographie oder die Bevölkerung nicht aus Zahlen, und wir können auch sagen, dass wir nicht Zahlen brauchen, sondern ungarische Menschen. Und dazu ist notwendig, dass möglichst viele Kinder geboren werden, und dazu sind Familien notwendig, und zu einer Familie sind eine Mutter und ein Vater nötig, möglichst eine Frau und ein Mann, und notwendig ist, dass die Jugendlichen Kinder wollen. Aus Untersuchungen geht hervor, dass sie das wollen, jedoch so, wie sie im alltäglichen Trubel und dem Wirrwarr des Alltags voranschreiten, stoßen sie auf solche Hindernisse, dass sie ihre früheren Pläne zurückschrauben und am Ende weniger Kinder haben, weniger Kinder auf die Welt kommen, als sie es ursprünglich gewollt hatten. Ich stelle mir ein Ungarn vor, in dem kein einziger Jugendlicher seine Pläne zur Familiengründung nur aus dem Grunde ändert, weil er auf wirtschaftliche, auf finanzielle Schwierigkeiten stößt. Hierum geht es bei der Konsultation, wie wir, wie auch ich persönlich ihnen die größte Hilfe leisten könnte.

– Ja, aber das ist teuer. Lässt dies die Leistung der ungarischen Wirtschaft zu?

– Ich denke darüber nach. Ob es viel kostet. Es gibt hier eine Geschichte: Man pflegt diesen armen König Ludwig II., der der König der Bayern war, dessen zu bezichtigen, dass er mit irrationalen Investitionen den Haushalt des Königreichs Bayern ruiniert habe, als er diese Schlösser mit ihren verwinkelten Türmen bauen ließ, deren Erinnerung wir vielleicht von Bildern her oder auf Grund unserer touristischen Besuche in Bayern bewahren. Er erbaute solche Paläste wie bei Walt Disney. Unlängst habe ich eine Studie gelesen, in der es darum ging, wenn wir dies, also die budgetären und Investitionszahlen vor einem Zeithorizont von hundert Jahren betrachten, dann war dies die erfolgreichste Investition Deutschlands im Laufe der Geschichte, denn sie brachte so viele Attraktionen, Besucher, alles Mögliche mit sich. Damit will ich also sagen: Allein nur deshalb, weil etwas in einem gegebenen Moment viel kostet und kurzfristig, da es eine Investition ist, als Ausgabe erscheint, ist es nicht sicher, dass wir vor dem Gedanken zurückschrecken sollten. Es mag sein, dass in Kinder, in Familien zu investieren kurzfristig Mihály Varga schlimme Tage bereitet, und in solchen Momenten kratzt er sich am Kopf, woher er denn die Summe hernehmen soll, doch ist er deshalb Finanzminister, um uns hierauf eine Antwort zu geben, doch ist es langfristig offensichtlich, dass es das beste Geschäft ist, wenn die Jugendlichen Kinder kriegen, die Kinder aufziehen, den Kindern eine Ausbildung bieten, die Kinder zu einem anständigen Leben erziehen, und danach tragen diese Menschen mit ihrer Arbeit zur gemeinsamen Leistung des Landes bei. Es gibt keine bessere Investition als diese. Zweifellos stimmt es, dass es da jene acht bis zehn Jahre gibt, die man finanzieren muss. Dies ist eine politische Regierungsaufgabe, man muss die Möglichkeiten dessen erschaffen. Wir arbeiten viel daran. Wenn jemand an 2010 zurückdenkt und sich vor Augen führt, wie viel wir seitdem im Interesse der Familien getan haben, dann können wir ruhig sagen: 2010 schien der Gedanke vollkommen irreal zu sein, dass wir in der Lage sein könnten, das System der nach der Kinderzahl berechneten Steuererleichterungen, die kostenlosen Lehrbücher, die kostenlose Verpflegung, das System der Wohnungsunterstützung sowie der Familienheimgründung zu errichten. Und tatsächlich, zuerst sahen diese vielen Zahlen auf dem Papier so aus, dass man sie nicht in ein Gleichgewicht bringen könnte, doch es gelang letztlich. Ich gebe also nicht auf, wobei Sie zweifellos Recht haben, die Familienpolitik kostet viel Geld, doch gebe ich das Ziel nicht auf, unsere familienpolitischen Ziele mit den wirtschaftlichen Realitäten in Einklang zu bringen. Schauen Sie, nach 2010 hat letztlich doch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik begonnen. Vielleicht hört sich dies unbescheiden an, wenn man so formuliert, da aber dies meiner Ansicht nach nicht nur der Regierung zu verdanken ist, sondern am meisten den arbeitenden ungarischen Menschen, ist es eine Tatsache, die Anlass zu stolz gibt: Ungarn hat seit 2010 eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gestartet. Diese haben wir initiiert, doch die Menschen haben sie ausgeführt, dies ist also ein gemeinsamer Erfolg. Und da dies eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik ist, die Arbeitslosigkeit nimmt ab, die Löhne steigen, wir können die Steuereinnahmen produzieren, wir können sogar die Staatsverschuldung verringern, wir verfügen also alles in allem über Aussichten, die es uns erlauben, im Interesse der Unterstützung der Familien mutige, großangelegte und kostspielige Entscheidungen zu treffen. Jedenfalls ist dies im Augenblick meine Überzeugung, und ich habe hierzu auch die Unterstützung der Mehrheit des Parlaments gewonnen, denn das Parlament hat den Haushalt für das Jahr 2019 angenommen, und ich möchte auch in den folgenden Jahren die Unterstützung der Mehrheit der Abgeordneten im Interesse einer die Familien sehr nachdrücklich unterstützenden Politik gewinnen.

– Zum Abschluss des Gesprächs etwas zum 1. Oktober, dem Tag der älteren Menschen. Treffen Sie den Seniorenrat? Welche Antwort werden Sie auf deren Frage geben, ob es in diesem Jahr eine Rentenprämie geben wird, ob die Leistung der ungarischen Wirtschaft die Rentenprämie zulässt?

– Ich treffe mich regelmäßig mit den Rentnern. Ich gehöre zu jenen, denen es der liebe Gott gestattet hat, dass auch noch ihre Großmutter unter uns weilt, meine Eltern sind auch schon in Rente. Selbst wenn ich wollte, könnte ich dies nicht vermeiden, aber ich will es auch gar nicht. Hinzu kommt auch noch, dass sich im Übrigen unter unseren Anhängern, also denen, die den Fidesz und die KDNP unterstützen, in großer Zahl auch Rentner befinden, mit ihnen treffe ich mich häufig, ich pflege auch Rentenklubs zu besuchen. Es gibt auch eine offizielle Formel, es gibt einen Seniorenrat, dessen Mitglieder ich jedes Jahr mindestens einmal treffe, und dann versuchen wir die wirtschaftlichen Aussichten zu überblicken. Dies wird auch dieses Jahr geschehen, der Seniorenrat wird auch neue Mitglieder haben. Ich erwarte diese Begegnung. Gestern Nachmittag durfte ich lange mit Mihály Varga an den Haushaltszahlen für das nächste Jahr arbeiten, und der Herr Minister sagte, dass es aus den Wirtschaftsdaten ganz eindeutig ersichtlich ist, dass es am Ende dieses Jahres, wie wir das im Allgemeinen zu tun pflegen am Ende des November, eine Rentenprämie geben wird, weil das Wirtschaftswachstum das Niveau erreicht hat, auf Grund dessen sie ausbezahlt werden kann, beziehungsweise auf Grund dessen dies den Rentnern zusteht. Übrigens ist dies in einem solchen Land, wie dem unsrigen – nur möchte ich jetzt kein neues Kapitel mehr aufschlagen –, eine der größten fachlichen, wirtschaftspolitischen Herausforderungen, wie man gleichzeitig den Rentnern die finanzielle Anerkennung und den Respekt zollt, deren Zahl hoch ist, und zugleich den Jugendlichen ausreichende Quellen zu garantieren, damit genug Kinder auf die Welt kommen. Denn irgendwie muss der Respekt für die Alten und das Engagement für die Zukunft im Gleichgewicht gehalten werden. Das ist ein ernsthafter Zaubertrick. Das Regieren wird nicht zufällig als eine Kunst bezeichnet. Wenn dies wahr ist, dann ist es vielleicht gerade deshalb wahr. Die Zukunft und die Vergangenheit, die Anerkennung für die bereits erbrachten Leistungen und das in der Zukunft zu Erwartende muss in der Gegenwart in ein Gleichgewicht gebracht werden. Doch ich melde: Seit 2010 ist dieses Kunststück im Allgemeinen bei jedem Haushalt gelungen.

– Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.