Viktor Orbáns Interview in der Sendung „Guten Morgen Ungarn” von Radio Kossuth
1. Oktober 2021

Katalin Nagy: Heute haben wir den ersten Oktober, den Internationalen Seniorentag. Bei solchen Anlässen richtet sich ein größeres Interesse auf die Rentner, die einen bedeutenden Teil unserer Gesellschaft ausmachen. Ich begrüße im Studio Ministerpräsident Viktor Orbán. Ist es ein Teil der Fürsorge, dass wenn die Wirtschaft dementsprechend Leistung bringt, dann wird den Rentnern vielleicht sogar eine Rentenprämie gezahlt werden? Und wie hoch wird sie sein? Guten Morgen!

Guten Morgen! Es ist tatsächlich ein Glück, so wie Sie es gesagt haben, gibt es in Ungarn viele Rentner. Dies bedeutet, dass unsere Eltern noch leben, eventuell auch noch unsere Großeltern, und das ist eine gute Sache. Je mehr von uns in der Familie noch da sind, eine desto größere Freude bedeutet das. Und natürlich besitzt all das auch eine finanzielle Seite. Darüber, dass die Renten ausbezahlt werden müssen, sprechen wir häufiger als über die seelischen Belange. In Ungarn gibt es ein Rentensystem, das die Renten aus den eingenommenen Steuern bezahlt. Das ist nicht in jedem Land so. Wo es keinen Kommunismus gab, dort ist es so, dass man über lange Friedensjahre hinweg ein Kapital angehäuft hat, und die Rendite dieses Kapitals wird unter den Rentnern verteilt. Ungarn ist kein so glückliches Land, hier wurde das Land regelmäßig ausgeplündert. Mal haben uns die Deutschen besetzt, sie haben uns ausgeplündert, und danach kamen die Sowjets, dann haben sie uns ausgeplündert, danach kamen die Kommunisten, die selbst noch die Dachböden leergefegt haben, hier gab es also nie eine Möglichkeit irgendein gemeinsames Kapital anzuhäufen, aus dessen Rendite man die Renten zahlen könnte. Wir haben also ein Rentensystem, in dem wir aus den Steuern der heute arbeitenden, Geld verdienenden Menschen die Renten zahlen. Das darf uns nicht in die Irre führen und es darf die Vorstellung nicht entstehen, als würden im Übrigen wir die Rentner aushalten, das ist ein völliges Missverständnis, denn sie haben uns nämlich ausgehalten, so lange sie uns in die Schule gehen ließen, uns aufzogen, bis sie uns in einen Zustand der Arbeitsfähigkeit gebracht haben, also eigentlich ist die Rente eine nachträgliche Anerkennung der Arbeit unserer Eltern und Großeltern. Wir haben den Internationalen Seniorentag, zu solchen Anlässen pflegen die Regierungen der Beschäftigung mit den Rentnern eine längere Zeit zu widmen. In diesem Jahr haben wir gute Nachrichten, denn die Wirtschaft arbeitet auf eine Weise, mit der sie die Träume der Allermutigsten verwirklicht. Viele Stimmen haben nicht gewagt, zu erträumen, dass das geschehen kann, wozu sich die Regierung verpflichtet hat, nämlich das Wirtschaftswachstum hinaufzuschieben, hinaufzuheben, hinaufzuziehen über ein Niveau von über 5,5 Prozent. Das ist geschehen. Es gibt ein Gesetz in Ungarn, das sagt, wenn das Wirtschaftswachstum ein gewisses Niveau übersteigt, und heuer ist dies gelungen, dann müssen auch die Rentner einen Anteil an diesem wirtschaftlichen Ergebnis erhalten, das nennen wir Rentenprämie. Auch die Regierung hat sich mit dieser Frage beschäftigt. Wir werden im Monat November eine Rentenprämie zahlen. Die Summe der Rentenprämie wird 80 tausend Forint betragen. Es hätte 435 tausend Menschen gegeben, die laut Rentengesetz weniger als diese Summe erhalten hätten, das sind die mit einer Behinderung Lebenden, vor langer Zeit in Rente gegangenen LPG-Rentner, es gibt also so eine Gruppe, dies wären 435 tausend Menschen gewesen, doch hatten wir, hatte ich angesichts der Leistung der Wirtschaft gesehen, dass wir allen die 80 tausend Forint ausbezahlen können, wir diese also einheitlich allen geben. Und da die Inflation höher ist, als wir es mit nüchternem Verstand noch zu Beginn des Jahres erwarten konnten, und wir nur die Hälfte der Kompensation der Inflation bis zum ersten Juli ausgezahlt haben, muss man die Renten auf korrekte und verständliche Weise auch der auf die zweite Hälfte des Jahres entfallenden, über den Erwartungen liegenden Inflation anpassen. Es wird also in hoher Zahl Rentner geben, die über die 80 tausend Forint betragende Rentenprämie hinaus, zusammen mit der Anpassung eine einmalige Auszahlung der Summe von etwa 100 tausend Forint erhalten können.

Letzte Woche hatten Sie darauf verwiesen, dass Sie dafür kämpfen, dass sie zu Beginn des kommenden Jahres nicht nur die zweite Woche der dreizehnten Monatsrente, die wiederhergestellt werden soll, erhalten sollen, sondern eventuell mehr. Gibt es hierin einen Fortschritt oder muss man darauf noch warten?

Ich bin entschlossen. Ich habe ja 2010 das Vertrauen der Wähler nach acht in der Opposition verbrachten Jahren erhalten, um die Arbeit der Regierung zu leiten. Und ich habe dies damals auf mich genommen, ich habe offen überall ausgesprochen, dass wir das, was die Gyurcsány-Bajnai-Regierung kaputtgemacht hat, in Ordnung bringen werden. Die eine derart große Sünde war die hohe Arbeitslosigkeit, das haben wir korrigiert, denn heute gibt es viel mehr schon einen Arbeitskräftemangel in Ungarn. Die andere bestand darin, dass die Löhne niedrig waren, denn man hatte einen Monatslohn weggenommen und auch der Minimallohn lag auf einem lächerlich niedrigen Niveau. Wir konnten das jetzt mit der Anhebung des Minimallohns beinahe verdoppeln. Der Minimallohn wird ab dem ersten Januar höher liegen als der Durchschnittslohn in der Zeit der Gyurcsány-Bajnai-Regierung war, also kann man sich auch dies als vollbracht denken, obwohl es nie genug an Lohn gibt, es ist immer gut, ihn immer weiter anzuheben. Und die dritte Sache war die Angelegenheit der dreizehnten Monatsrente, die man den Rentnern weggenommen hat. Damit rang ich, rangen wir am schwersten, doch ist die ungarische Wirtschaft an den Punkt angelangt, es gelang, so viel Energie in die ungarische Wirtschaft zu pumpen und die ungarische Wirtschaft umzuorganisieren, dass wir die Rente von zwei Wochen, eine Plusrente wir auf alle Fälle zu Beginn des kommenden Jahres werden zurückgeben können. Aber wenn wir keinen Fehler machen und die das Wachstum der Wirtschaft befeuernde, anhebende, mit sich ziehende Politik der Regierung in den kommenden drei Monaten auf die Weise erfolgreich sein wird, wie sie es bis jetzt war, dann sehe ich eine Chance dafür, dass wir zu Beginn des kommenden Jahres nicht nur die Rente für zwei Wochen, sondern eine ganze Monatsrente werden zurückgeben können, irgendwann Anfang Februar. Das ist überhaupt noch nicht sicher, ich bitte die Zuhörer, dies nicht für bare Münze zu nehmen, doch sehe ich die Chance, man muss dafür arbeiten, man muss kämpfen – aber es ist nicht unmöglich.

Die Ratingagentur Moody’s hat sowohl den Zustand der Wirtschaft als auch den Schwung des Neustarts der Wirtschaft beachtet, als sie Ungarn aufwertete, was aber selbst einige Analysten überrascht hat, denn Länder werden nur sehr schwer aufgewertet. Dies ermöglicht, das aus der Leistung der Wirtschaft – Sie haben darauf ja schon verwiesen und wir haben auch schon Einzelheiten gehört – es zur Steuerrückzahlung kommt. So etwas hat es in Ungarn noch nie gegeben, dass die Kinder erziehenden Eltern dieses Geld zurückerhalten. Wann ist das zu erwarten?

Tatsächlich hat die Regierung in der vergangenen Woche eine Entscheidung getroffen, und nach Anhörung unserer Experten für Ökonomie sind wir zu der Meinung gelangt, dass das 5,5 Prozent betragende Wirtschaftswachstum, das wir als Vorbedingung für die Rückerstattung der Steuer festgelegt hatten, das wird es auf alle Fälle geben. Ich klopfe es auf Holz, möge es zur richtigen Stunde gesagt worden sein. Es müsste im restlichen Teil des Jahres schon ein großes Durcheinander ausbrechen, damit wir die 5,5 Prozent erreichen, auch bei der Rentenprämie rechnen wir mit 7,5 Prozent. Und es gab eine große Diskussion darüber, ob es tatsächlich gelingen wird, was der Herr Notenbankchef György Matolcsy als die Wirtschaftsstrategie des „in der Kurve Überholens“ bezeichnet hat, und was dann mit den auf diese Weise entstehenden zusätzlichen Einnahmen geschehen solle? Und in Ungarn hat ein jeder, wenn es um das Geld geht, tausend und eine Idee, wie man es auf gerechte und gute Weise ausgeben müsste. Wir hatten den Eindruck, dass die Pandemie, die Coronavirusepidemie außer den Alten am meisten die Kinder erziehenden Familien gebeutelt hat. Vielleicht widersprechen dieser Behauptung auch die Zuhörer nicht. Deshalb haben wir beschlossen, falls es aus solch größeren wirtschaftlichen Leistungen entspringende staatliche Einnahmen geben sollte, und soweit wir das sehen, wird es diese geben, dann sollten wir dies jenen zurückgeben, die Steuernbezahlt und dabei Kinder erzogen haben, denn sie haben ja in der Zeit der Pandemie die größten Lasten getragen. Die Entscheidung ist gefallen, das wird geschehen. Man musste komplizierte Berechnungen anstellen, denn es gibt doch eine Obergrenze dafür, eine wie hohe Summe wir ausbezahlen können. Insgesamt, ohne hier jetzt im Meer der Daten unterzugehen, insgesamt sind es 1 Million 900 tausend Menschen, die Kinder erziehen, sie werden ihre eingezahlte Steuer zurückerhalten. Es wird also ein jeder nur die Steuer zurückerhalten, die er eingezahlt hat, aber die wird er erhalten.

Im Februar?

Dies müsste bis Mitte Februar geschehen. Diese Menschen müssen es nicht wissen, denn warum sollten sie sich mit den verschlungenen Angelegenheiten der öffentlichen Verwaltung beschäftigen, aber das erfordert eine gewaltige Kraftanstrengung seitens des Steueramtes, um für einen jeden persönlich festzustellen, wieviel Steuern er gezahlt hat, während er ein Kind erzogen hat. Daran wird schon seit Wochen gearbeitet, und soweit ich das sehe, gibt es die Chance für jede Entwicklung der Digitalisierung und die Extraarbeit bzw. deren erfolgreiche Verrichtung, die es ermöglicht, dass wir bis spätestens dem 15. Februar die Auszahlung vornehmen können. Ich habe jedenfalls diese Bitte an das Steueramt gerichtet.

Die Lebenssituation der Menschen wird sehr stark dadurch bestimmt, wieviel sie monatlich für die Nebenkosten zahlen müssen. Kam es aus dem Grund zu diesem langfristigen Gaslieferabkommen zwischen Ungarn und Russland, um zu erreichen, dass die Nebenkosten nicht bis in den Himmel steigen? Das ist natürlich auch deshalb interessant, denn im Westen sehen wir, dass sie dort auch höher sind, denn man hat jetzt damit begonnen, sie zu erhöhen.

Es gibt keinen Grund Witze zu machen, aber man könnte durchaus die umgangssprachliche Bedeutung der Wendung „es gibt Gas“ in der ungarischen Sprache im Sinne von „es gibt Probleme“ benutzend sagen: Es gibt Gas. Es gibt Gas, weil es kein Gas gibt. Das heißt, die Gasspeicher in Westeuropa sind nicht aufgefüllt, der Gaspreis ist in die Höhe geschossen, und in Westeuropa gab es eine riesige Zunahme der finanziellen Belastung im Haushalt der Familien. In solchen Momenten ist es gut, ein bisschen innezuhalten und daran zurückzudenken, dass auch wir zu ihnen gehörten. Ich habe also zwischen 2002 und 2010 immer aus diesem Grund die Gyurcsány-Bajnai-Regierung attackiert, sie hatten die Gas- und die Strompreise um ein Mehrfaches erhöht. Den des Stromes etwa um das Doppelte, und jenes des Gases auf etwa das Dreifache, und zwar auf die Weise, dass sie im Wahlkampf 2002, als ich sagte, dies würde geschehen, Ildikó Lendvai sagte, um ihre Worte in Erinnerung zu rufen, sie sage es langsam, damit es jeder, auch ich verstehe, dass es keine Erhöhung des Gaspreises geben werde – und dann haben sie ihn um das Dreifache, und den Strompreis um das Doppelte erhöht. Ungarn blickt also auf eine schlechte Geschichte zurück. Hier hat man die Menschen in dieser Angelegenheit betrogen, und die linken Regierungen haben den Profit der großen multinationalen Firmen erhöht und auch die Lasten der Menschen. Die großen internationalen Firmen hatten einen Vorteil daraus und die Familien den Nachteil. 2010 musste man mit dieser Praxis brechen. Es war eine gewaltige Schlacht, ich weiß nicht, ob die Zuhörer sich noch daran erinnern, eine Schlacht musste mit internationalen Firmen und auch mit Brüssel geschlagen werden, denn wir sagten, wir würden jetzt die Nebenkosten einfrieren, sie fixieren, deshalb würden die Bewegungen auf dem Markt die Nebenkosten nicht berühren. Es gibt einen Preis, mit dem jeder langfristig rechnen kann. So sind wir an den Punkt gelangt, an dem heute in Ungarn für die Haushalte das Gas in Europa am billigsten ist, und der Strom am zweitbilligsten. Und dabei sollte man beachten, dass Ungarn dies so erreicht, dass wir selbst keine eigenen Energiequellen besitzen. Es ist also auf die Weise einfach, einen niedrigen Preis zu machen – obwohl dies im Westen auch so kaum gelingt –, wenn aus der Erde das Gas und das Öl herausströmt oder man Wasserkraftwerke betreiben kann. Ungarn besitzt keine Möglichkeiten dazu. Wir kaufen die Energie also, auch das Gas, und geben sie danach an die Menschen weiter. Und zwar so, dass wir zu Marktpreisen einkaufen müssen, und wir sie unter dem Marktpreis an die Menschen weitergeben können, wozu einige ökonomische Kenntnisse notwendig sind. Die ungarischen Experten des Energiebereichs gehören zu den besten in der Welt, nicht nur hinsichtlich ihrer Ingenieurskenntnisse, sondern auch in der Frage, wie sie sich den Gashandel auf kluge Weise ausgedacht haben. Wir können also stolz auf sie sein, ohne sie würde es auch nicht gehen. Es gibt ein Energieamt in Ungarn, dort sitzen die besten Experten, und helfen uns, die Nebenkosten niedrig zu halten. Das ist also die Vergangenheit. Und die Gegenwart ist, dass es nicht genug Gas in Europa gibt. Dafür gibt es zahlreiche Gründe, aber wie auch immer, mit einer Konsequenz: Überall erdrücken die angestiegenen Energiepreise das Budget der Familien. Es gibt Preiserhöhungen in Westeuropa, die wir uns gar nicht vorstellen können, denn wir sind es nicht mehr gewöhnt, dass Ildikó Lendvai entgegen ihres Versprechens den Gaspreis erhöht, doch im Westen geschieht ebendies, also sollten wir uns freuen, dass wir davon nicht betroffen sind. Natürlich lastet auch auf uns ein großer Druck, damit wir uns an die sich immer verändernden Preise anpassen sollen, aber wir verfügen über eine gute Erfahrung, besitzen eine gute Praxis, wir werden daran festhalten. Jetzt ist dafür natürlich Gas notwendig. Damit der Preis des Gases niedrig ist, dazu ist Gas notwendig, und dieses erhält Europa am meisten von den Russen. Jetzt gibt es gegen die Russen alle möglichen politischen Angriffe und Kritiken. Meiner Ansicht nach kann man die politische Kritik, die Energieversorgung und die Frage der Energiesicherheit nicht miteinander vermischen, denn wie wir das auch von Péter Szijjártó haben hören können: Mit ideologischen Phrasen kann man den Kamin nicht anmachen und die Wohnung durchheizen. Gas ist also nötig, das ist die Realität. Man muss mit den Russen übereinkommen, und wir sind erneut für fünfzehn Jahre mit ihnen übereingekommen. Wir haben über einen etwas niedrigeren Preis für fünfzehn Jahre eine Vereinbarung getroffen, als der Preis in dem vorherigen, langfristigen Abkommen war, und das auf die Weise, dass die Preise überall in der Welt ansteigen. Das ist erneut ein Bravourstück, das spricht für das Außenministerium bzw. die Verhandlungsdelegation, und auch die Russen waren korrekt, und es gelang, eine Vereinbarung abzuschließen, die zuverlässigen Partnern angemessen ist und auch gegenseitige Gesichtspunkte respektiert.

Man pflegt die Wirtschaft und die politischen Ursachen dann nicht miteinander zu vermischen, wenn die Gaspipeline North Stream heißt, dann hat niemand ein Problem damit. Und jetzt hat sich die Ukraine auf ganz unverständliche Weise gegen das ungarisch-russische Gasabkommen zu Wort gemeldet, indem sie sagt, es verletze ihre Interessen, offensichtlich werden sie keine Transitgebühren mehr einnehmen, wenn das Gas nicht durch ihre Pipeline kommt, die Frage ist nur, ob sie das Recht dazu haben. Haben Sie die Deutschen nicht herausgefordert, als North Stream gebaut wurde?

Es ist leicht, gegenüber den Ungarn harte Bandagen aufzufahren, denken die Ukrainer, was ich an ihrer Stelle überdenken würde, aber gegenüber den Deutschen ist es schwieriger, also haben sie es ihnen gegenüber lieber auch nicht versucht. Doch ist das Wesentliche der Sache, dass wir leider die Gesichtspunkte der Ukrainer nicht beachten können. Ich respektiere also die Ukrainer und ich wünsche den ukrainischen Menschen viel Erfolg, aber in der Angelegenheit des Gases muss man sich nicht nach den Interessen der ukrainischen Menschen, sondern denen der ungarischen Menschen richten. Und wir benötigen diese Verträge, und das Gas muss mit Sicherheit nach Ungarn kommen. Dies ist von der Ukraine aus nicht gesichert, deshalb werden wir jetzt in den kommenden fünfzehn Jahren dieses Gas aus dem Süden holen. Ich verstehe – um es noch einmal zu sagen – die ukrainischen Gesichtspunkte, doch wenn wir diese Nebenkostenpolitik in Ungarn nicht weiter fortführen könnten, dann müsste eine durchschnittliche ungarische Familie jährlich um 386 tausend Forint mehr zahlen, monatlich durchschnittlich um 32 tausend Forint mehr für Energie ausgeben. Ich verstehe also die ukrainischen Gesichtspunkte, doch mich haben die ungarischen Wähler gewählt, und ich diene ihnen.

Interessanterweise nannte die Opposition keine Zahlen, sie berufen sich nur immer darauf, also die Kandidaten hier bei den Vorwahlen der Opposition, dass man sich den Preisen des Weltmarktes anpassen müsse. Obwohl wenn wir so die Zahlen hören, dann könnte es sein, dass wir Verbraucher gar nicht darauf bestehen würden.

Darum geht es. Im Parlament sage ich ihnen immer, ich verstehe ihre Wortmeldungen, in denen sie diese lehrbuchartigen, im Übrigen durch die großen internationalen Firmen entwickelten Theorien bestätigen, dass wir uns den Preisen auf dem Weltmarkt anpassen sollten, doch bedeutet dies, dass wir die Senkung der Nebenkosten zurücknehmen würden. Was die Linke also sagt, würde bedeuten, dass es in Ungarn mit den billigen Nebenkosten vorbei wäre und die Senkung der Nebenkosten zurückgenommen werden würde. Wir würden dorthin zurückgehen, wo wir vor 2010 waren. Im Allgemeinen ist dies das Problem in der ungarischen Politik, dass wir nicht über die Zukunft diskutieren, sondern darüber, ob die Vergangenheit zurückkommen soll, denn die bekannten Gestalten der Gyurcsány-Bajnai-Regierung kommen zurück oder würden gerne an die Spitze der ungarischen Politik zurückkommen. Darum geht es nun in der ungarischen Politik, und das ist auch die Situation mit der Senkung der Nebenkosten. Wenn sie zurückkommen, kommen auch die hohen Preise zurück.

Es gab ein Manöver der Armee in Ungarn, doch pflegt man nicht am Schauplatz eines Manövers eine Regierungssitzung abzuhalten. Warum kam es jetzt dazu?

Die ungarische Armee befindet sich in einer schwierigen Situation. In den vergangenen zwanzig-dreißig Jahren hat irgendwie die Ansicht Oberhand gewonnen, dass wenn wir Mitglied der NATO sind, dann können wir an der eigenen militärischen Kraft sparen, dann ist eine kleinere Armee nötig. Es hat sich über diesen Gedanken herausgestellt, dass dies ein vollkommener Irrtum ist. Im Übrigen vollziehen unsere Nachbarn sehr ernsthafte Entwicklungen ihrer Streitkräfte. Und auch ich bin davon überzeugt, dass wenn es keine ungarische Armee gibt und es ergeben sich Probleme, dann werden wir sicher keine ausländische Hilfe erhalten, denn wer sollte es sein, der die Söhne seiner eigenen Nation bzw. ihr Leben in unserem Interesse riskieren würde, während wir selbst nicht alles für unseren eigenen Schutz unternehmen? Dies kann niemand von einem Fremden erwarten, so wie man dies auch nicht von uns erwarten könnte. Ich würde nicht gern einem NATO-Mitglied helfen, das im Übrigen selbst nicht alles dafür tut, um seine eigene Sicherheit zu schützen. Das ist die normale Ordnung des Lebens, deshalb brauchen wir eine Armee. Hinzu kommt noch, dass wir das Zeitalter der Gefahren erleben. Auch in der Migration benötigen wir eine schlagkräftige, gut funktionierende Armee, den Grenzschutz könnten wir heute ohne Soldaten nicht verwirklichen, und wer weiß, was das kommende Jahrzehnt in der Weltpolitik noch mit sich bringen wird. Darauf müssen wir uns vorbereiten, aber man kann eine Armee nicht von einem Tag zum anderen aufstellen, man muss sie mit der Arbeit langer Jahre aufbauen. Jetzt spreche ich nicht nur über das Eisen und die Instrumente, natürlich kosten sie auch gewaltige Summen, das kann man nicht alles auf einmal besorgen, das technische Hinterland der Armee muss man im Rahmen eines langen Zehnjahresplanes aufbauen, aber ich spreche in erster Linie über die Menschen, die Soldaten, die ausgebildet werden müssen, deren Einstellung, Kameradschaft, Heimatliebe vorhanden sein muss, sie sind es, die den Schwur geleistet haben, die Heimat auch um den Preis ihres Lebens zu verteidigen. Das ist keine leere Losung, sie müssen während der Ausbildung erkennen, dass dies auch eintreten könnte, sie also ein sehr ernsthaftes Gelöbnis abgelegt haben. Es muss also so eine Kultur entstehen und auch die Profession selbst muss eingeübt werden, deren Niveau auch wir im Rahmen des Manövers haben sehen können, und das schien ziemlich beruhigend zu sein. Es stimmt zwar, es war nur ein einziges Bataillon, und wir werden in der Zukunft nicht nur ein Bataillon benötigen. Die Regierung hat also aus dem Grund zum Beginn des Manövers an einer Regierungssitzung teilgenommen, damit wir die Errichtung der Rüstungsindustrie überblicken, denn wir entwickeln zugleich auch die Rüstungsindustrie, um die technologischen Aspekte der Entwicklung der Streitkräfte zu überblicken und zu betrachten, wo wir in der Anwerbung, der Ausbildung und der Ausrüstung der Soldaten stehen. Und wir haben Entscheidungen über die Entwicklungsschritte des kommenden Jahres getroffen. In der Geschichte der Ungarischen Armee wird dies als eine wichtige Regierungssitzung erhalten bleiben.

Sie haben auf die Migration verwiesen, erlauben Sie mir nur eine kurze Frage. Mihály Varga sprach darüber, dass Ungarn im vergangenen Zeitraum 590 Milliarden Forint darauf verwandt hat, seine Grenze zu schützen. Wieviel hat davon Brüssel gegeben, wieviel hat es gezahlt?

In der Größe von etwa einer Nuss. Wir haben sehr wenig Geld erhalten, wir haben beinahe nur jene Summe bekommen, die im Allgemeinen auch in Friedenszeiten ohne Migration jedes Land zur Beaufsichtigung seiner Grenzen erhält, denn aus dieser Summe kann man sie nicht schützen, selbst die Beaufsichtigung geht nur schwer. Wir können also ruhig sagen, dass Brüssel die Kosten der für die Abwehr des auf der ungarischen Grenze lastenden riesigen Druckes notwendigen militärischen und Polizeikräfte, die Kosten der Errichtung des Zaunes im vollen Umfang außer Acht ließ. Ich habe mich mehrmals an sie gewandt, da wir nicht nur Ungarn, sondern auch sie schützen, damit sie dort in Westeuropa bequem und ruhig herumsitzen können, wofür die ungarischen Patrouillen, die Soldaten und die Polizisten eine gute Leistung erbringen müssen und wozu der Zaun gebaut werden muss – sie haben nicht das Geringste getan. Jetzt scheinen sie, soweit ich das sehe, anderen Ländern versprochen zu haben, ihnen Geld zu geben, aber wenn jemand anderes Geld erhält…

Litauen zum Beispiel…

…wenn jemand anderes Geld erhält, dann erfordert ein faires Verfahren, dass auch wir das erhalten, was uns auf Grund der Belastungen durch den Grenzschutz zusteht. Ich sage es noch einmal: Die Vorbedingung für das bequeme, ruhige, wohlhabende westeuropäische Leben ist, dass die ungarischen Soldaten und Polizisten die Grenze gut schützen. Das ist keine unbekannte Aufgabe für die Ungarn, denn so war es auch im Mittelalter. Sie haben Ungarn als Pufferzone genutzt, wir haben gegen die Mongolen und auch gegen die Türken gekämpft, und wir haben diese aufgehalten, damit sie ihr bequemes, ruhiges bürgerliches Leben in Westeuropa fortsetzen können. Diese Situation ist also nicht unbekannt, nur ist dieses Zeitalter vorbei; jetzt gibt es die Europäische Union, und man müsste jene Ausgaben anerkennen, die Ungarn wegen ihnen auf sich nimmt.

Wir können das Gespräch nicht beenden, ohne darüber zu reden, dass es im Laufe eines Tages 630 Neuinfizierte gegeben hat und von den fünfhundert und einigen Personen im Krankenhaus sind 87 an Beatmungsgeräte angeschlossen. Man kann also sehen, dass die Zahlen steigen, und man sieht, dass die Zahl der sich zur ersten Impfung Meldenden bereits sehr langsam und schrittweise zurückgeht, während die Zahl derer, die sich zur dritten Impfung melden, in schönem Maße anwächst. Es gibt hier eine Doppelheit.

Ja, wer sich schon einmal hat impfen lassen, der hat die Erfahrung gemacht, wie gut es ist, geschützt zu sein. Und sehr viele Menschen, mehr als 600 tausend, sind der Ansicht, die dritte Impfung werde ihren Schutz verstärken, verlängern. Auch die Regierung sagt, es sei besser, wenn es eine dritte Impfung gibt, als wenn es sie nicht gibt, deshalb haben wir es ermöglicht, dass man sie sich verabreichen lassen kann. Wir haben uns den ganzen Sommer hindurch darauf vorbereitet, dass es eine vierte Welle geben wird. Wir haben die Alten aufgesucht, haben die Impfaktionen für die Jugendlichen, die Schüler organisiert und durchgeführt, und wir haben so viel Impfstoff gehortet, bis zum Ende des Jahres insgesamt etwa 17 Millionen Dosen, dass wir das Land selbst zweimal, wenn nicht sogar dreimal impfen lassen können. Wir sind also vorbereitet, auch unsere Krankenhäuser sind es, unsere Experten und unsere Lagerbestände. Das Virus ist, ich kann es nicht oft genug sagen – auch wenn es verlorene Liebesmüh ist, was ich sage –, das ist ein Virus, das nicht weggeht. Also können jene, die sich nicht haben impfen lassen, nicht darauf hoffen, dass weil sich die anderen in hoher Zahl haben impfen lassen, werde das Virus dann verschwinden. Früher gab es so eine Annahme, man nannte dies mit einem albernen Wort „Herdenimmunität“, nur sind wir keine Schafe, aber wir haben kein besseres Wort gefunden, also bleiben wir dabei, es gab also eine Vorstellung, nach der – wenn der Anteil der Geimpften hoch sei – die Herdenimmunität entstehen würde, und es werden auch jene Angehörigen der Herde nicht infiziert, die noch nicht infiziert bzw. geimpft worden sind. Aber es hat sich herausgestellt, dass dies nicht stimmt. Bei diesem Virus stimmt das nicht. Es gibt keine Herdenimmunität, dieses Virus verschwindet nicht, es wird einen jeden finden, der nicht geimpft worden ist. Deshalb kann ich nur sagen: Die Impfung funktioniert. Die Beschränkungen funktionieren nicht, die Impfung funktioniert. Wer sich impfen lässt, der vermeidet eine unangenehme, schwerwiegende, manchmal auch Todesfälle mit sich bringende Krankheit. Es lohnt sich nicht, ein Risiko einzugehen. Nicht die Impfung ist das Risiko, sondern die Ungeimpftheit. Die Impfung funktioniert, deshalb bitte ich einen jeden, sich impfen zu lassen.

Vielen Dank! Sie hörten Ministerpräsident Viktor Orbán.